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Urlaub zwischen Trümmern - das Ahrtal bleibt ein

29.05.22
Urlaub zwischen Trümmern - das Ahrtal bleibt ein

Diese Aussicht aus der Frontscheibe ihres Wohnmobils ist Sabine Würfel und Christoph Janszen vertraut – und doch so fremd: Während ihr Camper über die Ahr-Rotweinstraße in Richtung Mayschoß rollt, begleitet das Ehepaar ein mulmiges Gefühl. Auf der einen Seite strahlt die Hügellandschaft mit ihren Weinbergen eine vertraute Idylle aus. Auf der anderen Seite wird ihnen schwer ums Herz beim Blick auf die zerstörten Häuser und Geschäfte.

Seit mehr als zehn Jahren fahren Würfel und Janszen regelmäßig aus ihrer Heimatstadt Krefeld (NRW) in den Urlaub ins heiß geliebte Ahrtal. Immer mit dabei: ihr zwölfjähriger Hovawart-Rüde Ali. Seit dem ersten Besuch ist Sabine Würfel begeistert. Insbesondere Mayschoß ist den Krefeldern ans Herz gewachsen. Und das liegt längst nicht nur an der Landschaft. Sie haben hier Freunde gefunden. Mit den Gastwirten Sebastian und Andrea Kläs, die gemeinsam das Weinhaus Kläs und Sohn führen, teilten Würfel und Janszen viele schöne Erinnerungen, sahen den Söhnen Simon und Bastian Kläs beim Aufwachsen zu. Christoph Janszen sagt: Mayschoß ist für uns wie eine zweite Heimat. Und so wie Christoph Janszen und Sabine Würfel geht es etlichen Menschen: rund 70000 Gäste kamen laut Statistischem Landesamt vor der Flut jährlich in den Kreis Ahrweiler, allein auf den Campingplätzen sind 240 000 Übernachtungen verzeichnet worden. Ein gewaltigerWirtschaftsfaktor für die Wein- und Wanderregion. Mit dem 14. Juli 2021 änderte sich jedoch schlagartig alles, auch für Liebhaber der Region wie Janszen und seine Frau. Sabine Würfel erinnert sich: Nachts um 12 Uhr erreicht sie die letzte Nachricht von Andrea Kläs, bevor die Verbindung abbricht: „Wir saufen ab.“ Zwei Tage später versucht das Ehepaar, nach Mayschoß zu kommen. Mit ihrem Wohnmobil parken sie in Dernau. Die restlichen neun Kilometer nach Mayschoß müssen sie zu Fuß laufen. „Und dann brach unsere Ahrwelt erst einmal zusammen”, sagt Würfel heute. Seitdem sind zehn Monate vergangen. Wenn Janszen und Würfel nun, im Frühsommer 2022, ihr geliebtes Ahrtal besuchen, steht auch die Frage im Raum: Wie steht diese Region wieder auf?

Ganz wichtig scheint auf jeden Fall das Miteinander. Vor der Vinothek der Winzergenossenschaft Mayschoß-Altenahr, ein paar Häuser vom Weinhaus der Familie Kläs entfernt, kommen Besucher zusammen, unterhalten sich bei einem oder zwei Gläsern Wein in der Sonne, lachen miteinander. Und auch die Anwohner verbringen Mittagspausen oftmals mit gemeinsamem Essen in der Winzergenossenschaft, erzählt Sebastian Kläs: „Es gibt ja keine Kneipen mehr, aber hier kommt man eben zusammen und tauscht sich aus, hilft sich gegenseitig – eine große Stütze beim Wiederaufbau.“ Doch Gastwirt Sebastian Kläs erzählt auch: „Die meisten Touristen, die herkommen und sich Mayschoß und unser Weinhaus anschauen, fahren mit Tränen in den Augen wieder nach Hause.“ Christoph Janszen aber ist sich sicher: „Da werden viele wiederkommen.“ Die Eindrücke der Flutkatastrophe hätten zwar einige Besucher abgeschreckt, aber durch den Kontakt mit vielen anderen Campern weiß er: „Die scharren schon mit den Füßen, bis alles wieder hergerichtet ist.” Der Frühling macht Hoffnung – nur die Wohnmobile fehlen noch.

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Auch in Altenahr fehlt noch einiges bis zur Rückkehr in die Normalität. Doch es tut sich etwas. Dröhnender Baustellenlärm hallt am Fuße der Burg Are aus den staubigen Straßen. Der Wiederaufbau ist im vollen Gange. Mittendrin im Getöse: das Hotel „Zum Rittersprung“. Es ist eines von vielen Häusern, dessen Erdgeschoss noch immer einer einzigen Baustelle gleicht. Trotzdem sind seit Monaten sieben Zimmer ausgebucht – und das an sieben Tagen in der Woche. Auf dem Briefkasten des mit Pressspanplatten hergerichteten Eingangsbereichs stehen die Namen der sieben Frauen und Männer, die hier zu Hause sind. Es sind die Bewohner der Ahrtal-WG. Hinter der Idee einer Wohngemeinschaft mitten im Flutgebiet steckt die Organisation Hoffnungswerk. Viele Projekte des im Zuge der Flut gegründeten Vereins zielen darauf ab, Beziehungen zu den Menschen im Ahrtal aufzubauen. Langfristige praktische und soziale Hilfe ist das Motto. So auch bei der Ahrtal-WG – die nicht nur eine Wohngemeinschaft ist, sondern auch ein Ort des Austausches.

„Wir sind hierhergekommen und engagieren uns für die Betroffenen. Dafür bietet uns das Hoffnungswerk kostenlose Verpflegung und eine Wohnung an“, erklärt WG-Bewohnerin Aljona Barz die Idee. Im Oktober 2021 kündigte die 34-Jährige ihren Job als Traumapädagogin und ihre Wohnung in Bielefeld und zog in das sanierungsbedürftige Hotel in Altenahr. Gemeinsam mit ihren Mitbewohnern Samuel Huber (19, Abiturient) und Nadine Dyck (28, Ergotherapeutin) sitzt Barz in der geräumigen Wohnküche im noch unverputzten Erdgeschoss. Samuel Huber kommt aus der Nähe von Stuttgart, Nadine Dyck aus Bonn. Gekannt haben sie sich vorher nicht. Was die drei jedoch seit ihrem Einzug verbindet, ist ihr Einsatz für die Bewohner an der Ahr. „Gekommen, um für euch da zu sein!“ steht auf einem Banner an der Hausfront des Hotels. Es soll Anwohner auf die Wohngemeinschaft aufmerksam machen. Diese hat sich in der Ortsgemeinde zu einem wichtigen Treffpunkt für Flutbetroffene entwickelt. „Wir haben festgestellt, dass viele das Bedürfnis nach einem Ort haben, wo man sich einfach mal sehen kann“, merkt Nadine Dyck an. Die Tür der WG stehe deshalb immer offen. „Hier kann man auch mal über andere Themen als die Flut sprechen“, hebt Barz hervor.

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In Mayschoß, gegenüber der Vinothek, zwischen Ahr-Rotweinstraße und Bahnhof, liegt der Wohnmobilstellplatz. Hier steht diesmal nur der Camper der Eheleute Würfel und Janszen: Modell Ecovip L 3010 der Marke Laika. Italienisches Lebensgefühl auf 6,99 Metern. Doch wo ehemals Dolce Vita inmitten der Weinberge möglich war, ist heute nur noch ein Schotterplatz übrig.

Ein Großteil der Camping- und Wohnmobilstellplätze wurde bei der Flutkatastrophe im vergangenen Sommer beschädigt, jene in Mayschoß, Rech und Dernau, Altenahr und Ahrbrück dabei sogar komplett zerstört. Von 17 Plätzen im Ahrtal blieben nur vier von der Flut verschont. Bei vielen anderen ist unklar, wann und wie sie wieder eröffnen können. Campingplatzbetreiber müssen neue Bebauungspläne und wasserrechtliche Ausnahmegenehmigungen beantragen – wenn sie überhaupt weitermachen wollen.

Benötigt werden auf jeden Fall Evakuierungspläne für den Katastrophenfall. Das im Ahrtal ehemals so beliebte Dauercampen ist seit der Flut weitgehend verboten. Die Struktur- und Genehmigungsbehörde SGD Nord in Koblenz betont, es sei „aus Gründen der Hochwasservorsorge sicherzustellen, dass die Plätze bei drohender Überflutung rechtzeitig und vollständig geräumt sind“. Feste-Wohnwagen oder Häuschen könnten bei einer Flut nicht rechtzeitig geräumt werden. Auflagen zur Räumung können im Konflikt mit dem Betrieb von Campingplätzen stehen, so die SGD Nord. Wegen der vielen Unklarheiten werden wohl in diesem Jahr wenige Campingplätze wiedereröffnen. Das unternehmerische Risiko einer Öffnung mit Duldung, aber ohne baurechtliche Grundlage werden nicht alle Betreiber wagen. Hinzu kommt das schleichende Tempo der Auszahlungen des Wiederaufbaufonds. Das Beispiel Camping zeigt: Nur langsam blüht der Tourismus im Ahrtal wieder auf. Es braucht Geduld – und Signale der Hoffnung.

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Ein solches findet man in Bad Neuenahr- Ahrweiler. Als das Ahrtal unterging, blieb der Weiße Turm stehen. Wer regelmäßig das Ahrtal besucht wie Würfel und Janszen, kennt diese Sehenswürdigkeit: Seit dem 13. Jahrhundert steht der Turm hier, unweit des Marktplatzes, trotzte seither schon so mancher Naturkatastrophe, manchem Krieg. Heute beherbergt er unter anderem die Gemälde von Kolja Senteur – und die erste Kunstausstellung im Ahrtal nach der Flut. Sucht man nach einem Ort, der für Kontinuität in der 75-jährigen rheinland-pfälzischen Geschichte steht und gleichzeitig für die verbindende Kraft der Kultur: Der Weiße Turm in Ahrweiler wäre eine Antwort.

Im Erdgeschoss liegt die Malschule Roos, die Senteur leitet. Der Künstler (Jahrgang 1975) ist hier aufgewachsen, schon seine Mutter Roos Schäfer-Senteur war hier Künstlerin und Kursleiterin. Dass die traditions reiche Malschule zunächst wegen Corona, dann wegen der Flutschäden lange geschlossen blieb, war eine Trübsal für den leidenschaftlichen Künstler und Vermittler Senteur. Heute wird hier wieder aquarelliert, gezeichnet, die Anatomie des Menschen studiert – es gibt Kurse sowohl für Kinder als auch Erwachsene. Weiter oben im Weißen Turm, in der Stadtgalerie Ahrweiler, begann im Ahrtal der Rückweg zur Normalität – zumindest ein kleines bisschen, in kultureller Hinsicht nämlich. „Werkschau“ hieß die erste Ausstellung im Flutgebiet seit dem 14. Juli, ein Best-of aus dem 25-jährigen Schaffen von Kolja Senteur.

Die Ausstellung war eines dieser so wichtigen Aufbruchssignale an eine ganze Region: Während der Anblick zerstörter Orte mit der Dominanz von Schlammbraun und Schuttgrau zwar noch lange nicht vorbei ist, konnten sich die Besucher hier zumindest für ein paar Stunden an den poppig leuchtenden Porträts Senteurs erfreuen. „Es muss auch immer eine Blume geben, die aus der Asche wächst“, sagt der Maler über die Motivation, im Flutgebiet bunte Bilder zu zeigen. Ein Zitat des rheinlandpfälzischstämmigen Künstlers Lyonel Feininger liegt Senteur außerdem am Herzen: „Kunst ist kein Luxus, sondern Notwendigkeit.“ Kaum ein Satz könnte besser in diese Zeit der Krisen passen, in der die Kultur manchem entbehrlich scheint.

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Von Luxusproblemen sind auch die Gastronomen im Ahrtal weit entfernt. Vielmehr geht der Wiederaufbau für viele langsamer als erhofft. Über die schleppende Entwicklung ist auch Sebastian Kläs, Gastwirt und Freund der Ahrtal-Fans Christoph Janszen und Sabine Würfel, nicht erfreut: „Das sind keine Schritte, sondern nur Schrittchen.” Das Schlammschippen ist beendet, jetzt schlägt sich Kläs mit Versicherungen herum und sucht nach Handwerkern, die bei der Sanierung seines Weinhauses dringend benötigt werden.

„Sämtliche Handwerker hier aus dem Tal sind geschäftlich abgesoffen, und von außerhalb gab es vorher schon einen Handwerkermangel.“ Materialknappheit kommt nun auch noch hinzu. Teilweise muss monatelang auf Bauteile gewartet werden. Andrea Kläs sagt: „Wir hätten nicht gedacht, dass es so langsam vorangeht. Wir hatten uns vorgenommen: Im Herbst machen wir auf.“ Sebastian Kläs zuckt mit den Schultern: „Von der Hoffnung können wir uns verabschieden.“ Eine Stimmung, die man zurzeit überall im Ahrtal spürt: Es geht voran – aber es geht langsam. Umso wichtiger scheint es, sich auszutauschen und gegenseitig den Rücken zu stärken.

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Genau dafür hatte Aljona Barz, Traumatherapeutin und Bewohnerin der Ahrtal-WG, eine Idee. Gemeinsam mit ihrer Mitbewohnerin Nadine Dyck hat sie einen Frauenstammtisch ins Leben gerufen. Einen Stammtisch für Männer gibt es schon länger. „Manche freuen sich schon am Montag auf den Stammtisch am Freitag“, erzählt Samuel Huber. Der seelische Wiederaufbau ist den WG-Bewohnern ein besonderes Anliegen. Als Frau vom Fach bietet Aljona Barz Traumatherapien an, begleitet Menschen mit verschiedensten Schicksalen. Sie will noch drei bis fünf Jahre bleiben. „Vieles wird bei den Betroffenen erst später hochkommen“, erklärt sie ihren Entschluss. Die WG existiert noch bis September – mindestens. Darüber hinaus wird das Hoffnungswerk ein Begegnungscafé in Altenahr eröffnen. Die Unterstützung soll nach einem Ende der WG weitergehen. Ein weiteres Café eröffnete das Hoffnungswerk bereits Anfang Mai 2022 in der Ahrhutstraße in Bad Neuenahr-Ahrweiler. Direkt über ihm zog im Frühjahr die nunmehr zweite „Ahrtal WG“ ein.

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Nur 300 Meter von dieser zweiten WG und dem Café in der Ahrhutstraße entfernt, ragt das älteste Gebäude in Ahrweiler mit seiner barocken Haube in den Himmel: der Weiße Turm. Mittlerweile hat Künstler Kolja Senteur geschafft, was er noch im Herbst 2021 für schwer vorstellbar hielt: Die Flut, die ihn auch persönlich betroffen und zum Umzug gezwungen hat, in Kunst zu verarbeiten. „The German Mud Massacre“ heißt ein Siebdruck, den Senteur angefertigt hat – er zeigt eine junge Frau, die einen Bürostuhl von der Straße trägt und der ihr Leid ins Gesicht geschnitzt scheint. Der Grafiker versteigerte den Siebdruck zugunsten der lokalen Fluthilfe. Und auch eine andereWerkreihe Senteurs erscheint nach dem Juli 2021 plötzlich in neuem Licht: „Shattered Dreams“ heißt die Serie großformatiger Ölgemälde – „zersplitterte Träume“. Entstanden sind die Bilder mit Titeln wie „Hard Rain“ und „Lost Paradise“ seit dem ersten Lockdown. Doch weil die Motive, etwa ein Pärchen mit Schirm, wie durch Glasscherben oder regennasse Fensterscheiben gefiltert scheinen, kann man auch hier an das Hochwasser denken.

Die Flut, so wirkt es, hat den Blick aufs Ahrtal, den Blick auf ganz Rheinland-Pfalz verändert. Zwar wird wohl nichts mehr exakt so werden wie vorher. Doch der Weiße Turm, in dem Kolja Senteur seine Bilder malt, steht auch für das Überstehen von Krisen. Dafür, dass das Leben weitergeht.

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Der ungebrochene Optimismus im Ahrtal, ob bei Künstlern, Gastwirten, Helfern oder Sportlern (siehe Auslagerung) bleibt jedenfalls auch den begeisterten Ahrtouristen Sabine Würfel und Christoph Janszen aus dem nordrhein-westfälischen Krefeld im Gedächtnis: „Was wirklich zu machen ist, wurde hier auch schon immer möglich gemacht“, sagen sie. Man stellt fest: Das Ahrtal ist ein Stück Rheinland-Pfalz, das weit über die Ländergrenzen hinaus Menschen bewegt. Zum 75. Landesgeburtstag wünschen Sabine Würfel und Christoph Janszen ihrer „zweiten Heimat“, dass das auch so bleibt.

Sport als Rückkehr in die Normalität: Den Herausforderungen trotzen

Sport als Rückkehr in die Normalität: den Herausforderungen trotzen Die Bälle rollen. Die Speere fliegen. Die Volleyballer schmettern. Der Zustand von vor der Flut ist noch nicht erreicht. Viele Sportvereine im Ahrtal sind von der Katastrophe heimgesucht worden. Und damit auch Menschen jedes Alters. Jedoch schlagen die Sportlerherzen weiter. Vorbereitungen für eine erfolgreiche Zukunft sind angelaufen – für die Umsetzung wird noch einiges an Spielzeiten und Kraft benötigt.

Spricht man mit Sportfunktionären aus der Region, wird einem bewusst: Das Vereinsleben im Ahrtal steht vor großen Herausforderungen. „Ganz wichtig war die Wiederaufnahme des Trainingsbetriebs in allen Altersklassen“, erzählt Jens Fahrenbruch, Jugendleiter Leichtathletik beim SV Blau-Gelb Dernau, auf der Ausweichstätte in Meckenheim. Diese liegt 18 Kilometer von der eigentlichen Sportstätte in Dernau entfernt. Zerstörte Sportanlagen: ein Problem, dass auch vor weiteren Sportvereinen nicht haltmacht.

In Sinzig ist von zwei geschlossenen Turnhallen, einem weggeschwemmten Vereinsheim und einem als Containerdorf dienenden Beachvolleyballfeld die Rede. Der TuS Ahrweiler kann das Apollinarisstadion in Bad Neuenahr-Ahrweiler mit den zwei zugehörigen Sportplätzen ebenso wenig nutzen wie die Fußballer des Ahrweiler BC. Den Leichtathleten sind zudem acht weitere Sportstätten weggebrochen, erzählt Corinna Swat, Abteilungsleiterin Leichtathletik beim TuS Ahrweiler.

Die Vereine müssen sich nach wie vor mit hohem koordinativen Aufwand um Ersatzorte für Trainingseinheiten und Wettkämpfe bemühen. Diese lassen sich oft nur mit dem Pkw erreichen, sodass Fahrgemeinschaften unumgänglich sind. Ein Umstand, der sich neben der verminderten Leistungsfähigkeit besonders auf das gesellschaftliche Miteinander auswirkt. „Unsere Sportplätze und das Vereinsheim in Bad Neuenahr-Ahrweiler sind nicht nur zentrale Orte, sondern der Klebstoff des Vereins. Und dieser ist aktuell nicht vorhanden“, sagt Gerd Treffer, Jugendleiter beim Ahrweiler BC.

Deshalb war es auch für Swat unabdingbar, den Trainingsbetrieb im September des vergangenen Jahres wieder aufzunehmen. „Wir wurden auch in psychologischer Hinsicht gebraucht. Jeder hatte Gesprächsbedarf“, berichtet die Abteilungsleiterin und ergänzt: „Der Fokus änderte sich vom Wettkampfgedanken hin zu Zusammenhalt und Spaß im Team.“ Eine Ansicht, die auch Merlin Hinsche von den Leichtathletikfreunden Sinzig vertritt. Er finde es „elementar wichtig, dass Sport wieder angeboten“ werde. Denn dieser helfe „bei der Verarbeitung der Katastrophe“.

Ein weiteres Problem: Jeder Verein improvisiert für sich, ein ganzheitlicher Ansatz – innerhalb der Vereine, aber auch zwischen Sportvereine und den Behörden – wird jedoch vermisst. „Vollmundige Lippenbekenntnisse gibt es reichlich, aber keine belastbaren Perspektiven“, meint Jens Fahrenbruch aus Dernau. Der Anfang ist gemacht. Doch bis in den heimischen Sportstätten wieder die Bälle rollen, die Speere fliegen und die Volleyballer schmettern, wird noch einiges an Zeit verstreichen.
  

Über das Projekt

Die Bilder des 14. Juli erschüttern bis heute: Eine Flutwelle verwüstet das Ahrtal mit einer nie da gewesenen Wucht. Häuser, Brücken, Bäume und Autos werden zerstört. 134 Menschen verlieren ihr Leben. Es ist die größte Naturkatastrophe in der 75-jährigen Geschichte von Rheinland-Pfalz. Die Volontäre unserer Zeitung sind an die Ahr gefahren, um zu verstehen, was dieser Region Hoffnung im Wiederaufbau gibt. Dabei ist ihnen klar geworden: Das Ahrtal übt eine besondere Faszination aus, weit über die Grenzen von Rheinland-Pfalz hinaus. Ein Ehepaar aus Krefeld, das unsere Autoren begleitet haben, kommt schon jahrelang hierher und hat mittlerweile in Mayschoß eine zweite Heimat gefunden. Eine WG bringt Engagierte aus ganz Deutschland zusammen. Und ein lokaler Künstler verarbeitet die Flut in besonderen Bildern.

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1. Das Hotel „Zum Rittersprung“ in Altenahr dient heute als Ahrtal-WG: Hier leben sieben Männer und Frauen, um den Flutopfern langfristig zu helfen.
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2. Die Touristen Sabine Würfel und Christoph Janszen kommen auch nach der Flut regelmäßig nach Mayschoß – nicht zuletzt, um beim Wiederaufbau zu helfen.
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3. Der Weiße Turm in Bad Neuenahr-Ahrweiler trotzte schon so einigen Kriegen und Naturkatastrophen. Hier findet sich heute die erste Kunstausstellung nach der Flut.
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4. Das Weinhaus Kläs und Sohn in Mayschoß: eines von vielen Gasthäusern, bei denen der Wiederaufbau nur langsam vorangeht.
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5. Traumatherapie und Stammtischgespräche: Die Ahrtal-WG hilft sowohl bei der Verarbeitung als auch bei der Ablenkung.

Von den RZ-Volontären Maurice Brüsecke Maurice Brüseke, Mirjam Hagebölling, Moritz Hannappel, Finn Holitzka, Matthias Kolk, Niels Stern, Annika Wilhelm Fotos: Sascha Ditscher, Matthias Kolk, Kolja Senteur, Niels Stern und Hans-Jürgen Vollrath

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6. Der Künstler Kolja Senteur versteigert seine Werke für die lokale Fluthilfe. Zwar sind diese vor der Flut entstanden, jedoch erinnern die verzerrten Motive an die Flutnacht.
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7. Geschlossene Turnhallen, zerstörte Sportplätze und weggeschwemmte Vereinshäuser: Die „Klebstoffe“ der Sportvereine fehlen derzeit noch. Das soll sich ändern.