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Fritz Walter und seine Mitspieler ließen die Sportfreunde im neuen Bundesland ein Stück näher zusammenrücken

Rheinland-pfälzische Athleten sorgten auch bei Olympia für Triumphe - Glücksspieleinnahmen halfen dem Sport nach dem Krieg auf die Beine

26.05.22
Fritz Walter und seine Mitspieler ließen die Sportfreunde im neuen Bundesland ein Stück näher zusammenrücken

Zwei Fußballhelden aus Kaiserslautern werden auf Händen getragen: Horst Eckel (links) und Kapitän Fritz Walter sorgten 1954 mit der deutschen Nationalmannschaft für das „Wunder von Bern“ . Foto: Imago

Was die Menschen im zerstörten Deutschland nach dem verlorenen Zweiten Weltkrieg neben ausreichendem Essen, überdachtem Wohnraum und einem halbwegs funktionierenden Waren- und Personenverkehr am dringendsten benötigten, war offenbar der Fußball. Mit rasender Geschwindigkeit fanden sich in den Städten und Dörfern auch auf dem Gebiet des späteren Bundeslands Rheinland-Pfalz, der französisch besetzten Zone, die Zuhausegebliebenen mit den Heimkehrern von der Front und aus den Gefangenenlagern zusammen, um Vereine (wieder) zu gründen und Sport zu treiben.

Sport, das hieß zunächst in erster Linie Fußball, denn die französische Besatzungsmacht, der die siegreichen Alliierten große Gebiete links und rechts des Rheins zugestanden hatten, erklärte zahlreiche Sportarten für verboten, darunter Reiten, Fechten, Turnen und Kampfdisziplinen wie Boxen und Ringen, in der Hoffnung, auf diese Weise den Deutschen Militarismus und Nationalismus auszutreiben.

Auch den Funktionären ging es beim neu gestarteten Fußballbetrieb um mehr als Tore und Punkte. In seinem ersten Jahrbuch beschrieb der Fußballverband Rheinland im Jahr 1950, wie er seine Aufgabenstellung im Nachkriegsdeutschland verstand, nämlich als „Kampf gegen die Sitten- und Begriffsverwilderung und die Gewinnung derer, die den Gefahren der Straße ausgesetzt waren. Nicht die Meisterschaft ist das Ziel, sondern Arbeit am Menschen.“

Wenige Monate nachdem der letzte Schuss gefallen war, begann auf notdürftig hergerichteten Sportplätzen der runde Ball wieder zu rollen. Bereits im Januar 1946 startete eine sogenannte Zonenliga mit Vereinen aus der Pfalz, Rheinhessen und dem Saarland mit dem Spielbetrieb, allerdings fehlten die Vereine aus dem Rheinland. Die TuS Neuendorf, die vor dem Krieg die stärkste Mannschaft zwischen Mainz und Köln gestellt hatte, hielt sich zurück; man hoffte wohl, eines nahen Tages wieder gegen Kölner, Bonner und Aachener antreten zu dürfen statt gegen Kaiserslauterer und Pirmasenser aus der gefühlt weit entfernten Pfalz.

Doch schon in der zweiten Nachkriegssaison mischte die Turn- und Spielvereinigung aus dem Koblenzer Vorort, die direkt nach dem Krieg nur noch Spielvereinigung heißen durfte und sich später zeitweise (unter Hinweis auf die Tischtennisabteilung des Vereins) Tennis- und Spielvereinigung nannte, kräftig mit in der alsbald Oberliga Südwest genannten höchsten Spielklasse. Die Neuendorfer, angeführt von Ex-Nationalspieler Jupp Gauchel als Spieler und Trainer, sorgten 1948 bundesweit für Furore, als sie durch einen 2:1-Sieg gegen den Hamburger SV ins Halbfinale der deutschen Meisterschaft vorstießen. Dort allerdings unterlagen sie dem 1. FC Kaiserslautern mit 1:5. Der FCK erreichte durch die Meistertitel von 1951 und 1953 und mehr noch durch den Gewinn der Weltmeisterschaft 1954, als fünf Lauterer das Gerippe der siegreichen deutschen Nationalmannschaft bildeten, Kultstatus im künstlichen Bundesland, das verzweifelt nach einem gemeinsamen Selbstverständnis suchte.

Die Walter-Elf bildete über Jahrzehnte die stabile Klammer, die zusammenhielt, was eigentlich nicht zusammengehörte. An Rhein und Mosel, im Hunsrück und im Westerwald schwärmen die Menschen noch heute von der Persönlichkeit des ewigen Spielführers Fritz Walter, in den 1990er-Jahren genoss der Klub vom Betzenberg dank zweier weiterer Meistertitel und eines DFB-Pokalgewinns erneut uneingeschränkte Popularität im Land der Reben und Rüben. 
      

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Geschickt am Ball: Fußball-Nationalspielerin Celia Okoyino da Mbabi war auch beim SC 07 Bad Neuenahr aktiv. Fotos: Bernhard Kunz

Erst im neuen Jahrtausend etablierte sich mit dem FSV Mainz 05 ein zweiter rheinland-pfälzischer Verein in der Bundesliga und löste auch dank des Kulttrainers Jürgen Klopp den in die Drittklassigkeit abgestürzten FCK als sportliche Nummer eins im Land ab. Weil die meisten Fußballanhänger Tradition höher schätzen als Leistung, genießen die „Roten Teufel“, die wieder erfolgreich um sportliche und finanzielle Konsolidierung bemüht sind, auch aktuell landesweit mehr Sympathien als der Emporkömmling aus der Landeshauptstadt.

Bis zur Einführung des Profifußballs durch die Gründung der Bundesliga 1963 zählten die Duelle zwischen Kaiserslautern und Neuendorf zu den Höhepunkten im rheinland-pfälzischen Fußballgeschehen. Zehntausende Menschen pilgerten auf den Betzenberg oder aufs Oberwerth, um Stars wie Fritz und Ottmar Walter, Jupp Gauchel und Karl Adam, Werner Liebrich und Rudi Gutendorf zu bewundern. Die besten Teams im Südwesten zogen auch bei freundschaftlichen Gastspielen auf den Dörfern Hunderte, manchmal Tausende von Fußballfans an und ließen sich ihre künstlerischen Darbietungen großzügig honorieren – meist in Naturalien, mit einem Sack Kartoffeln oder Brennholz, einem Karton Eier oder einem Pfund Kaffee. Die hungernden und frierenden Menschen im Land gierten nach Fußball, nicht nur als Zuschauer, sondern auch als Spieler. Schnell kam ein Spielbetrieb bis in unterste Klassen zustande, der den Spielern einiges zumutete. Für viele begann das Sportwochenende mit Holzhacken, damit ein klappriger Lkw mit Holzvergaser sie auf der Ladefläche über holprige Straßen zum Auswärtsspiel befördern konnte.

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„Kampf gegen die Sitten- und Begriffsverwilderung und die Gewinnung derer, die den Gefahren der Straße ausgesetzt waren. Nicht die Meisterschaft ist das Ziel, sondern Arbeit am Menschen.“

Aus dem Jahrbuch des Fußballverbands Rheinland 1950

Die Funktionäre des Verbandes schrieben im erstmalig erschienenen Jahrbuch, dass es im frisch gestarteten Fußballbetrieb um mehr als um Tore und Punkte geht

Mit der Einführung der Deutschen Mark im Juni 1948 begann der wirtschaftliche Aufschwung des vermeintlich vernichtend geschlagenen Landes, und ein halbes Jahr später sorgte die Einführung des Fußballtotos für einen Sportboom ohnegleichen. Die Wettlust der Deutschen erbrachte gewaltige Umsätze, aus denen die von den Sportorganisationen gegründeten und verwalteten Glücksspielgesellschaften großzügig den Sport subventionierten – zunächst fast ausschließlich den Fußball, weil der in seinen Strukturen anderen Sportarten weit voraus war. Der Fußballverband Rheinland nutzte die Zuwendungen für den Bau einer schmucken Sportschule und zur Anschaffung einer Planierraupe, die den Vereinen zur Herrichtung ihrer Sportplätze zur Verfügung gestellt wurde. Einzige Voraussetzung: Die Mitglieder mussten kräftig selbst mit Hand anlegen, was vor 70 Jahren für engagierte Sportler noch eine Selbstverständlichkeit war.

Von den Toto-, heute überwiegend Lottogeldern profitieren im 21. Jahrhundert nicht nur der Fußball, sondern auch die sogenannten Randsportarten. Unter diesem Begriff werden heutzutage, da die kickenden Millionäre unverschämte Gehälter kassieren und das Fernsehen lieber jedes noch so unbedeutende Freundschaftsspiel überträgt als Meisterschaften der Leichtathleten, Turner oder Schwimmer, alle Sportarten subsumiert, in denen nicht der runde Leder-, heute Plastikball über einen sorgsam gepflegten Rasen rollt. 

Als in den 1970er-Jahren das große Geld in den Fußball einzog, verloren die Neuendorfer den Anschluss. Auch die Umbenennung in TuS Koblenz 1981 brachte nicht die erhofften Sponsorenmittel. So blieb es für den Traditionsklub zwischen 2006 und 2010 bei einem vierjährigen Gastspiel in Liga zwei, Rheinlandrivale Eintracht Trier gehörte immerhin von 1976 bis 1982 und von 2002 bis 2005 dem Bundesliga-Unterhaus an und kämpft aktuell um den Aufstieg in die Viertklassigkeit.

Neben Fußballern durften auch Handballer und Leichtathleten schon kurz nach dem Krieg ihren Sport wieder ausüben. In Koblenz entwickelte sich unter Anleitung des Kirner Sportprofessors Berno Wischmann eine leistungsstarke Gruppe von Werfern, Springern und Läufern, die zu den Olympischen Spielen 1952 und 1956 insgesamt vier Athletinnen und Athleten entsandte. Später waren es Turner aus Bad Kreuznach, Fechter aus Koblenz und Einzelsportler wie die Kanuten Thomas Schmidt aus Bad Kreuznach und Ricarda Funk aus Bad Breisig sowie Trampolinturnerin Anna Dogonadze aus Bad Kreuznach, die erfolgreich um olympisches Gold kämpften. Doch mit der Laufbahn der Vorzeigeathleten ging - bis auf die noch aktive Funk - meist auch der Boom zu Ende. Viele Talente suchen und finden bessere Bedingungen und sportliches Glück bei Großklubs außerhalb der Landesgrenzen.

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Jubel auf der Planche: Der Koblenzer Florettfechter Peter Joppich kommt auf fünf WMTitel und fünf Olympia-Teilnahmen.

Der erfolgreichste rheinland-pfälzische Olympionike kommt aus der Pfalz. Schwergewichtler Wilfried Dietrich aus der Ringerhochburg Schifferstadt gewann zwischen 1956 und 1968 fünf Medaillen, eine goldene, zwei silberne und zwei bronzene. So richtig berühmt wurde der starke Pfälzer 1972 als fast 40-Jähriger mit seinem unfassbaren Überwurf des fast vier Zentner schweren US-Amerikaners Chris Taylor. Trotzdem wurde Dietrich, der „Kran von Schifferstadt“, in München „nur“ Sechster, genießt aber auch 30 Jahre nach seinem viel zu frühen Tod im ganzen Land und darüber hinaus eine Popularität, die der eines Fritz Walter nahekommt.

Ganz vorn war Rheinland-Pfalz, als in den gesellschaftlich bewegten 1960erJahren die Frauen ihr Recht aufs Fußballspielen nicht nur einforderten, sondern mit dem neuen Selbstbewusstsein einfach wahrnahmen. Dem Deutschen Fußball-Bund zum Trotz, der sich bei seiner Verbotsverfügung von 1955 auf „Argumente“ wie dieses stützte: „Das Treten ist wohl spezifisch männlich, ob darum Getreten werden weiblich ist, lasse ich dahingestellt“, schrieb ein (männlicher) Psychologe, „jedenfalls ist das Nicht-Treten weiblich.“ Solcherlei Kokolores konnte die mutigen Kickerinnen in Rheinland-Pfalz nicht beeindrucken. Der SC 07 Bad Neuenahr trat schon im Juli 1970 bei einer „inoffiziellen“ Weltmeisterschaft in Italien an, der rheinhessische TuS Wörrstadt krönte sich 1974 zum ersten offiziellen Deutschen Meister. Bad Neuenahr holte 1978 den Titel und gehörte der 1990 gegründeten Bundesliga mit Unterbrechungen bis 2013 an, als der stets finanzknappe Klub mit den Großvereinen nicht mehr mithalten konnte.

Auch der pfälzische TuS Niederkirchen wurde 1993 Deutscher Meister, und die SG Ahrbach aus dem Westerwald stand 1989, wenige Wochen nach dem „Urknall“ des ersten deutschen Europameistertitels, an dem die Ahrbacherinnen Marion Isbert und Jutta Nardenbach wesentlichen Anteil hatten, im DM-Finale (0:2 gegen Bergisch Gladbach). Die gebürtige Bonnerin Celia Okoyino da Mbabi, die schon als junges Mädchen in Bad Neuenahr anheuerte, absolvierte 111 Länderspiele (63 Tore), wurde zweimal Europameisterin und in ihrem letzten aktiven Jahr 2015 zu Europas Fußballerin des Jahres gewählt. Heute gehört Celia Sasic, wie sie seit ihrer Hochzeit heißt, mit Philipp Lahm zum Organisationskomitee für die (Männer-)EM 2024 und verkörpert seit einigen Wochen als DFB-Vizepräsidentin die neue Rolle der Frauen in der einstigen Männerdomäne Fußball.

Eine rheinland-pfälzische Erfolgsgeschichte ist auch die Entwicklung des nach dem Krieg gegründeten Versehrtensportverbandes, der sich zunächst die Re-Integration der Kriegsgeschädigten zur Aufgabe gemacht hatte, zu einem modernen Behindertensportverband, der sich neben der Rehabilitation auch den paralympischen Spitzensport auf die Fahnen geschrieben hat. Etliche Medaillen bei den Paralympics belegen die erfolgreiche Arbeit. Zu den Ikonen des Leistungssports gehört beispielsweise die Sinziger Dressurreiterin Bianca Vogel, die bei drei Paralympics-Teilnahmen von 1996 bis 2004 zwei Silbermedaillen gewann, ehe sie sich 2011 als 50-Jährige aus gesundheitlichen Gründen vom Leistungssport zurückziehen musste. Oder Sprinter Wojtek Czyz aus Kaiserslautern, der nicht nur wegen seiner sieben paralympischen Medaillen, darunter vier goldene, sondern auch wegen seiner erfrischenden Art zu einer Ikone des Behindertensports wurde.

Einig sind sich Motorsportler und ihre Fans nicht nur im Rheinland, in Rheinhessen und der Pfalz, sondern in der ganzen Republik und darüber hinaus, was die Bedeutung des Nürburgrings angeht. Die Rennstrecke in der Eifel, wo es gefühlt immer Winter ist, zieht die motorisierten Massen magisch an, sei es zur Probefahrt über die legendäre Nordschleife, sei es, um den großen Stars der Formel 1 oder den kleineren der unzähligen Rennserien beim wettbewerbsmäßigen Im-Kreis-Fahren zuzujubeln. Die Popularität des Rennsports mit Verbrennermotoren ist auch in Zeiten von Klimadiskussionen ungebrochen.

Insgesamt hat der mehr oder weniger professionelle Hochleistungssport im südlichen Landesteil einen besseren Nährboden gefunden als in unserer Region, dem Rheinland, wo Ausnahmeathleten ihre Erfolge zu allen Zeiten weniger nachhaltig gewachsenen Strukturen verdanken als vielmehr dem Engagement Einzelner. Als Beispiel sei Eberhard Mehl genannt, der selbst in Rom 1960 olympisches Bronze mit der Fechtmannschaft gewann und 40 Jahre später die Koblenzer Säbelfechter Wiradech Kothny und Dennis Bauer zu insgesamt drei Olympia-Medaillen bei den Spielen in Sydney führte.

Als Einzelkämpfer hielt sich Florettfechter Peter Joppich, der fünf Olympia-Teilnahmen (eine Bronzemedaille) und insgesamt fünf Weltmeistertitel zu verzeichnen hat, fast zwei Jahrzehnte in der Weltspitze, ehe er in diesem Jahr mit 39 Jahren seine eindrucksvolle Karriere beendete. Der bereits erwähnte Leichtathletik-Professor Berno Wischmann wechselte in den 1950er-Jahren aufgrund der besseren Bedingungen von Koblenz nach Mainz und formte beim dortigen Universitäts-Sportclub Weltmeister und Olympia-Sieger.

Natürlich fehlt es nicht an Erfolgsgeschichten im rheinland-pfälzischen Sport. Eine schrieb der Tischtennis-Klub TTC Grenzau, der seit 1982 ununterbrochen in der Bundesliga spielt, sechsmal Deutscher Meister und fünfmal Pokalsieger wurde. Der Westerwälder Manfred Gstettner gönnte sich dieses „Hobby“, weil er es sich leisten konnte und wollte, baute ein Hotel dazu und darf heute mit Wohlgefallen auf sein sportliches Lebenswerk schauen, das er in jüngere Hände übergeben hat.

Im Bundesligateam des TTC Grenzau spielt aktuell leider kein Westerwälder. Wie auch andere populäre Mannschaftssportarten wie Handball, Basketball, Volleyball und Eishockey ihren hochbegabten Talenten nur mit dem Zukauf nationaler oder internationaler Hilfskräfte ein paar Jahre Bundesliga ermöglichen können; den meisten fehlt es bald an Geld und Infrastruktur, um den Höhenflug zu einer nachhaltigen Erfolgsgeschichte zu formen.

Diesen Mangel an sportlichen Höhepunkten mag so mancher vielleicht bedauern. Doch in Rheinland-Pfalz gibt es rund 1,34 Millionen Mitglieder in mehr als 5900 Sportvereinen, die bis in die kleinsten Dörfer von mehr als 400 000 ehrenamtlichen Idealisten am Leben gehalten werden. So findet jede und jeder für sich das passende Bewegungsangebot. Wer einfach nur mitmachen will, braucht weder Sponsoren noch Titel. Noch nicht einmal Talent. Stefan Kieffer

Der organisierte Sport – häufige Kleinstaaterei in drei Teilrepubliken

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Zuerst waren es die regionalen Sportbünde, die das sportliche Treiben im Lande organisierten und verwalteten. Der rheinland-pfälzische Landessportbund (LSB) blieb nach seiner Gründung 1950 lange Jahre ebenso unsichtbar wie bedeutungslos. Erst in den 1970er-Jahren spielte der LSB im Konzert des organisierten deutschen Sports eine wichtige Rolle, zum Beispiel als Inspirator und Motor der höchst populären Trimm-dich-Bewegung. Doch in unserem zusammengestoppelten Bundesland spiel(t)en regionale Befindlichkeiten stets eine wichtigere Rolle als das große Ganze. Das Verhältnis der drei Teilrepubliken im Rheinland, in der Pfalz und in Rheinhessen wurde und wird häufig mehr von Profilierungssucht und gegenseitigem Misstrauen geprägt als von harmonischer Zusammenarbeit.

So ließ der Tischtennisverband Pfalz vor wenigen Jahren den ausverhandelten Zusammenschluss mit den Verbänden des Rheinlands und Rheinhessens in letzter Minute platzen – nur ein Beispiel von vielen für die Kleinstaaterei, der mehr an Posten liegt als an Gemeinsamkeiten. Regionale Interessen verhinderten – und verhindern zum Teil bis heute –, dass auf organisatorischer Ebene zusammenwächst, was doch zusammengehören soll. Dass die Rheinland-Pfälzer so sehr miteinander fremdeln, ist wohl historisch begründet: „Der Unterschied zwischen Rheinländern und Pfälzern ist so groß wie der zwischen einem Metzgerhund und einem Hundemetzger“, beschrieb Heinz Schumacher, der langjährige Sportchef der Rhein-Zeitung, schon vor 75 Jahren die Kluft im künstlichen Bundesland, dessen Gestalter von geschichtlichen Zusammenhängen entweder keine Ahnung hatten oder sich nicht wirklich darum scherten. Stefan Kieffer