Anzeige
Auf den Spuren der Bonner Republik

Auf den Spuren der Bonner Republik

Das Bonner Regierungsviertel ist wie ein Dorf. Alles ist zu Fuß erreichbar. Davon kann sich der Besucher auch heute noch ein gutes Bild machen. Wir haben die Highlights zusammengestellt.

23.05.24
Auf den Spuren der Bonner Republik

Das frühere Bundeskanzleramt in Bonn. Helmut Schmidt verspottete die Architektur als „rheinische Sparkasse“. Das Büro des Ex-Kanzlers kann noch besichtigt werden. Foto: dpa

Wo das Berliner Regierungsviertel wuchtig, weitläufig und überdimensioniert wirkt, erscheint die Bonner Republik geradezu beschaulich. Wer sich für die alte Hauptstadt interessiert, kann praktisch alle bedeutenden Institutionen zu Fuß bei einem Spaziergang erkunden. Zudem bietet das Haus der Geschichte kostenlose Führungen durch die wichtigsten Gebäude an, in denen bis zum Umzug nach Berlin oft Weltgeschichte geschrieben worden ist. Ein Überblick:

Kanzleramt: Ältere Leser können sich noch aus den Fernsehnachrichten an die Bronzeskulptur des Bildhauers Henry Moore erinnern, an der die Limousinen der Politiker zum alten Bonner Bundeskanzleramt vorgefahren sind. Die alte Regierungszentrale, dessen Architektur Helmut Schmidt (SPD) als „rheinische Sparkasse“ verspottete. Wer das Amtszimmer des Ex-Kanzlers heute besucht, erhält immer noch einen guten Eindruck vom spröden Charme der 1970er-Jahre: Zigaretten, Schnupftabak und ein Aschenbecher liegen auf dem schweren Eichenschreibtisch. Fast wirkt es so, als sei Schmidt soeben nur mal kurz aus dem Raum gegangen. Nur die Rauchschwaden, die einst durch das Büro waberten, haben sich verflüchtigt. Ansonsten hat Schmidt vor seinem Tod alle Möbel und Utensilien persönlich für die Präsentation überlassen. Dazu gehört auch ein Schachspiel, das er 1978 vom türkischen Ministerpräsidenten Bülent Ecevit geschenkt bekommt.

In dem Büro wird bundesdeutsche Geschichte geschrieben. Im Deutschen Herbst 1977 hält Schmidt hier seine Krisensitzungen ab, als RAF-Terroristen versuchen, die Bundesrepublik zu erpressen. Schmidts Nachfolger Helmut Kohl führt später im Machtzentrum der Bonner Republik Gespräche zur deutschen Wiedervereinigung. Bundeskanzler Gerhard Schröder arbeitet nur ein Jahr lang in Bonn, bevor er 1999 nach Berlin umzieht. Neben dem Kanzleramtszimmer gibt's auch den alten Kabinettsaal zu sehen, in dem 1976 die erste Sitzung stattgefunden hat. Anhand von Fotos, Exponaten und Medienstationen erfahren Besucher, welche internationalen Gäste die Kanzler empfangen haben und wie man sich eine Kabinettssitzung vorstellen muss.

Besucherinformation: Da sich das Gebäude auf dem Gelände des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung befindet, ist der Zugang aus Sicherheitsgründen begrenzt. 90-minütige Führungen sind sowohl für Gruppen als auch für Einzelbesucher auf 20 Personen begrenzt. Die Begleitungen sind kostenlos. Es wird lediglich ein Personalausweis benötigt. Führungen können beim Besucherdienst unter Telefon 0228/9165400 gebucht werden.

Der Kanzlerbungalow: Kaum zu glauben, dass der Kanzlerbungalow bei seinem Bau in den 1960er-Jahren einen Skandal ausgelöst hat. Die Wohnung des Kanzlers mit dem kleinen Pool galt als zu luxuriös. Und vor allem als viel zu teuer. Dabei können sich Besucher heute davon überzeugen, wie eng es in den Schlafzimmern zuging, wenn die ganze Familie der Regierungschefs untergebracht werden musste. Und sie können einen Blick in Hannelore Kohls winzige Teeküche werfen. Das Wohnzimmer ist hingegen weitaus repräsentativer geraten. Denn am Bonner Rheinufer wurde Weltpolitik gemacht. Im Juni 1989 etwa haben Bundeskanzler Helmut Kohl und das sowjetische Staatsoberhaupt Michail Gorbatschow hier erste Schritte in Richtung Wiedervereinigung unternommen. Auch dessen Vorgänger Leonid Breschnew hat schon auf dem Sofa gesessen.

Das einstöckige, schlichte Gebäude mit den bodentiefen Fenstern an allen Seiten ist jeweils nach dem persönlichen Geschmack und Stil seiner Bewohner eingerichtet worden. Ludwig Erhard bewohnt den von ihm maßgeblich mitgestalteten Bungalow nur zwei Jahre. Seinem Nachfolger, Kurt Georg Kiesinger, ist das neue Zuhause zu kühl und zu modern. Willy Brandt zieht gar nicht erst ein. Aus der Zeit von Helmut Schmidt bleibt die schusssichere Glaswand auf der Terrasse. Sie erinnert an den Terror der RAF, vor dem der Kanzler geschützt werden muss. Helmut Kohl lässt schließlich eine raumgreifende Lichtkonstruktion anbringen, die sofort den Blick des Besuchers auf sich zieht. Besucherinformationen: Der Kanzlerbungalow ist nur noch bis zum 25. Mai 2024 geöffnet. Danach wird er saniert und voraussichtlich im Frühjahr 2025 wieder geöffnet. Gruppen ab 15 Personen können den Kanzlerbungalow dienstags bis freitags von 11 bis 15 Uhr besuchen. Samstags und an Feiertagen ist von 13 bis 17 Uhr geöffnet. Gruppenbesuche können beim Besucherdienst unter Telefon 0228/9165400 gebucht werden. Einzelbesucher können den Kanzlerbungalow sonntags um 14, 14.30 oder 15 Uhr im Rahmen von Begleitungen nach Anmeldung besuchen.

Bundesrat: Von 1949 bis 2000 hatte der Bundesrat seinen Sitz in Bonn. Wichtige Entscheidungen der Geschichte der Bundesrepublik sind im Bonner Plenarsaal des Bundesrates getroffen worden. Am 23. Mai 1949 hat hier der Parlamentarische Rat das Grundgesetz verkündet und in den Monaten davor erarbeitet. Als eins von fünf Verfassungsorganen der Bundesrepublik ist der Bundesrat zentraler Ort der Demokratie. Eine Ausstellung stellt die Akteure vor, die an der Entstehung 1948/49 beteiligt waren.

Besucherinformationen: Öffentliche Begleitungen für maximal 25 Personen finden samstags ab 15 Uhr und sonntags ab 13 Uhr statt. Treffpunkt ist der Infoschalter im Foyer im Haus der Geschichte. Die Ausstellung „Unser Grundgesetz“ und das ehemalige Bundesratsgebäude können im Rahmen einer Gruppenbegleitung besucht werden. Anmeldungen für Gruppen bis 25 Personen nimmt der Besucherdienst unter Telefon 0228/9165400 entgegen.

Palais Schaumburg: Der Bonner Dienstsitz des Bundeskanzlers. Das Gebäude ist 1858 gebaut worden und blickt auf eine wechselvolle Geschichte als Millionärsvilla, Prinzenpalais und Soldatenquartier zurück. Wegen Sanierungsarbeiten ist das Palais derzeit geschlossen. Wie sieht das ehemalige Arbeitszimmer von Bundeskanzler Konrad Adenauer aus? Wie ist der Kabinettssaal eingerichtet und was hat es mit dem berühmten „Hallsteinzimmer“ auf sich? Unter www.hdg.de erhalten Besucher Antworten im Online-Panorama. Dabei gibt es 360-Grad-Einblicke in alle Räume und die Außenansichten von Gebäude und Park. Thomas Kölsch