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Made in BRD - Erfindungen ab 1949

Made in BRD - Erfindungen ab 1949

Vor 75 Jahren wurde die Bundesrepublik Deutschland gegründet - Innovationen haben mitgeholfen, die Rolle und Bedeutung in der Welt zu definieren. Auch in Rheinland-Pfalz lebten und leben viele kreative Köpfe. Eine erfindungsreiche Zeitreise.

23.05.24
Made in BRD - Erfindungen ab 1949

Walter Linderer haben unendlich viele Menschen ihr Leben zu verdanken. Er meldete 1951 den Airbag zum Patent an. Allerdings dauerte es 30 Jahre bis zum alltagstauglichen Einsatz. 1964 wurde die selbstständige Waschanlage für Autos erfunden. 1967 hat der wohl berühmteste Hubschrauber der Welt seinen Erstflug, die BO 105, entwickelt von zwei Deutschen. Der Schraubstollen am Fußballschuh stammt ebenfalls aus der Idee eines Deutschen. Der Bremer Schuhmacher Alexander Salot hat ihn erfunden. Foto: phonlamaiphoto, dpa (3)

Die deutschen Erfinder Johannes Gutenberg (Buchdruck, 1440), Karl Linde (Kühlschrank, 1877), Carl Benz (Automobil, 1886) oder etwa auch Konrad Zuse (Computer „Z3“, 1936) haben die Welt im Positiven verändert. Und natürlich Ugur Sahin und Özlem Türeci, die beiden Biontech-Gründer aus Mainz, die 2020 mit ihrem Covid-19-mRNA-Impfstoff der Pandemie-erschütterten Welt einen großen Dienst erwiesen.

Welche anderen Erfinder und Erfindungen haben die Bundesrepublik Deutschland in den 75 Jahren seit ihrer Gründung im Mai 1949 geprägt? Hier präsentieren wir eine Auswahl an Innovationen, die zu ihrer Zeit entweder Weltneuheiten oder zumindest Marktneuheiten im für den Innovator relevanten Markt waren.

1949 Schuhmachermeister Alexander Salot aus Bremen entwickelt den Schraubstollen-Fußballschuh. Das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) würdigt seine Leistung in der „Postergalerie der Erfindungen“ auf der DPMA-Internetseite. Nachdem Salot den Verein Blumenthaler SV mit Schraubstollen ausgerüstet hat, wird dieser dreimal in Folge Bremer Meister. Und 1954 verhelfen Schraubstollenschuhe Deutschland sogar zum Weltmeistertitel: Die Fußballnationalmannschaft hatte damit auf nassem Rasen bessere Chancen als der Finalgegner Ungarn mit herkömmlichen Schuhen.

1950 Der Gründer der Firma Schottel (Schiffsantriebe und Manövriersysteme) mit Sitz in Spay am Mittelrhein, Josef Becker, revolutioniert den Transport zu Wasser mit einem Ruderpropeller. Dieser wandelt Motorleistung optimal in Schubleistung um, vereint erstmals Antrieb und Steuerung und ermöglicht eine Bootsdrehung um 360 Grad, also um die eigene Achse. Von großer Bedeutung ist das für Schlepper, die Containerschiffe sicher in Häfen oder ins offene Meer bugsieren, aber auch für Schiffe jeder Größe und Art. 2004 erhält Josef Spay posthum den Elmer A. Sperry Award, mit dem zuvor schon Ferdinand Porsche für die Entwicklung des Volkswagens sowie Entwickler der Robert Bosch GmbH für das Antiblockiersystem (ABS) ausgezeichnet wurden.

1951 Walter Linderer meldet den Airbag zum Patent an. Der Münchner Ingenieur will Autofahrer bei einem Unfall durch einen Luftsack schützen, der sich selbst automatisch aufbläst. Bis zum alltagstauglichen Einsatz vergehen weitere knapp 30 Jahre.

1954 Der Ingenieur und Firmengründer Andreas Stihl aus Neustadt bei Waiblingen erhält ein Patent auf seine Motorkettensäge Stihl BLK (Benzin – leicht – klein). Sie wiegt nur 11 Kilogramm und kann deshalb von einem Arbeiter allein bedient werden. Stihl ist laut DPMA mit ihren Sägen Weltmarktführer. Das Unternehmen wurde wiederholt Opfer von Produktpiraterie, auf Plagiaten fand sich dann etwa ein optisch ähnliches Logo – allerdings mit dem Schriftzug Sthil, statt Stihl.

1956 Telefunken stellt ein „Verkehrsradargerät zur Geschwindigkeitsüberwachung“ (VRG 2) auf der Internationalen Polizeiausstellung in Essen vor – der „Blitzer“ ist geboren. Zum Entwicklerteam gehörte der Elektrotechniker und spätere Professor Heinz Lueg, geboren 1914 in Achtelsbach im Landkreis Birkenfeld. Die Technik hat sich seither kontinuierlich weiterentwickelt. Für die stationäre Überwachung gibt es heute neben dem „Starenkasten auch Messanlagen in Säulenform: Das Gerät „Poli Scan Speed“ etwa wurde von Vitronic in Wiesbaden (Gründer: Norbert Stein) entwickelt und funktioniert per Lasermessung Lidar. Dieselbe Messtechnik nutzt der ebenfalls von Vitronic hergestellte „Enforcement Trailer“ (übersetzt: Vollstreckungs-Anhänger) in der Optik eines Anhängers. Über mehrere Spuren hinweg kann er gleichzeitig Geschwindigkeitsbegrenzungen und Durchfahrtsverbote nach Uhrzeit sowie Fahrzeugklassen überwachen.

1958 Artur Fischer aus Tumlingen meldet einen Spreizdübel zum Patent an. Er hat ein Stück Plastik ausgebohrt und zurechtgefeilt, beschreibt es das DPMA. Der auf diesem Patent basierende S-Dübel bietet sowohl in weichen als auch harten Materialien sichereren Halt und ist universell einsetzbar. Fischer ließ mehr als 2200 Patente und Gebrauchsmuster eintragen. Allein in Deutschland wurden ihm 550 Patente erteilt. Er entwickelte beispielsweise einen Synchronblitz, der von Agfa vermarktet wurde. Untrennbar mit seinem Namen ist auch das „fischertechnik“-Baukastensystem aus dem Jahr 1949 verbunden. 1970 machte er sich in der Medizin mit einem Dübel zum Fixieren von Knochenbrüchen verdient.

1959 Miele (mit heutigem Sitz in Gütersloh) entwickelt den ersten europäischen elektrischen Wäschetrockner. Bereits 1952 entlastet Carl Miele Frauen mit „rechteckigen Waschmaschinen“, die sich für Etagenwohnungen eignen, vom zeitaufwendigen Wäschewaschen im Waschhaus. 1899 hatte der gelernte Maurer (damals in Herzbrock) zusammen mit dem Verkaufsreisenden Reinhard Zinken eine Firma zur Herstellung von Milchzentrifugen gegründet. Durch Tüftelei entstand eine Buttermaschine, darauf basierend die „Kraftwaschmaschine“ mit Elektromotor: Das Holzfass, in dem Sahne zu Butter geschlagen wurde, wurde zur Waschtrommel umfunktioniert.

1963 Storchenmühle mit Sitz im bayerischen Marktleugast bringt den weltweit ersten Auto-Kindersitz auf den Markt – er trägt den Namen „Niki“.

1963 Birkenstock erfindet das Fußbett. Die Sandalen haben zunächst das Image von Öko- und Gesundheitslatschen, inzwischen stehen und laufen sogar Hollywoodstars, Sänger und Rapper auf den bequemen Korksohlen (mit bunten und glitzernden Riemchen).

1964 Gebhard Weigele und Johann Sulzberger aus Augsburg lassen sich die „Selbsttätige Waschanlage für durchlaufende Kraftfahrzeuge“, kurz: die Auto-Waschstraße, patentieren. Sie führen ein Architekturbüro und ihre Fahrzeuge sind wegen vieler Baustellenbesuche andauernd schmutzig. Ihren Geistesblitz machen sie mit der Gründung der Wesumat Autowaschanlagen GmbH erfolgreich zu Geld.

1967 Der Hubschrauber Bölkow Bo 105 des Herstellers Messerschmitt-Bölkow-Blohm in Ottobrunn (seit 1978: Donauwörth) hat seinen Erstflug. Den leichten und wartungsfreien Helikopter hat Diplom-Ingenieur Ludwig Bölkow zusammen mit Emil Weiland ab 1961 entwickelt. Die Bo 105 hat elastische, glasfaser verstärkte Kunststoff-Rotorblätter und gelenklose Blattanschlüsse. Sie ist leicht zu steuern und dient als ziviler Mehrzweckhubschrauber wie auch für Einsatzwecke von Polizei, Militär, Luftrettung sowie Zivil- und Katastrophenschutz.

1970 Helmut Gröttrup und Jürgen Dethloff entwickeln die „Plastikkarte mit integriertem Schaltkreis“ und gelten damit als Erfinder der Chipkarte. In ihre Karte ist ein elektronischer Datenspeicher eingebaut. Im Jahr 1977 meldet Dethloff mit der Mikroprozessorkarte eine Weiterentwicklung, die sogenannte SmartCard, zum Patent an, die Kartendaten besser schützen kann als zuvor ein Magnetstreifen.

1971 Reinhard Wirtgen revolutioniert den Straßenbau mit der weltweit ersten Heißphräse zum Abtragen von schadhaften Asphaltbelägen. Bis dahin rollten Bagger an, wenn alte Straßenschichten entfernt werden mussten. Wirtgen entwickelt außerdem den ersten Heißrecycler (1976) und bereitet den Weg für eine schnellere und günstigere Straßensanierung. Es folgten eine Kaltfräse (1979) und der Surface Miner (1980), eine Fräse, die Berge schneiden kann. Die Wirtgen GmbH mit Sitz in Windhagen hat er bereits 1961 gegründet.

1972 Hans Beck erfindet die Playmobil-Figur, ein Systemspielzeug mit einem umkleideten Tragstück und Steckzapfen für Kopf, Arme und Beine. Beck ist Chefentwickler bei der Zirdorfer Firma Geobra Brandstätter, die die schlichten, aber durchdachten Figuren 1974 auf der Nürnberger Spielwarenmesse vorstellt.

1974 Fritz Stephan bringt den ersten Frühchenbeatmer auf den Markt. In den frühen 70er-Jahren gibt es nur Erwachsenenbeatmer, erzählte Tanja Stephan, Tochter des Firmengründers und Hauptanteilseignerin der Stephan GmbH in Gackenbach. Die besondere Herausforderung: Die Lunge eines Früh- und Neugeborenen ist dünn und filigran, der Brustkorb bietet – anders als bei Erwachsenen – keinen Schutz gegen Überdehnung. Fritz Stephan entwickelt das Gerät weiter und präsentiert „Stephanie“ auf der „Medica“ 1996 – dieses Gerät ist viele Jahre lang technologischer Marktführer in der medizinisch-therapeutischen Nische. Die Stephan GmbH hat inzwischen mehrere, teils mobile Beatmungsgeräte und Sauerstoffversorgungssysteme entwickelt, die alle in Deutschland gefertigt werden.

1975 Heinz Rath entwickelt mit seinem Team die „Colette“-Scheibenbremse, die von der ZF-Division Koblenz (früher: Lucas Girling GmbH) der ZF Friedrichshafen AG weltweit in Fahrzeugen eingebaut wird. Das Unternehmen mit Expertise in der Sicherheits-, Antriebs- und Fahrzeugtechnik hat heute einen Schwerpunkt in der Entwicklung von Assistenzsystemen. Heinz Rath, der inzwischen im Ruhestand ist, widmet sich inzwischen der Entwicklung von Minenfahrzeugen. Nach dem „MineWolf“, der bereits zur Anwendung kommt, will er nun Minenräum-Traktoren bauen, die nach der Beendigung ihrer Aufgabe in der Landwirtschaft einsetzbar sein sollen.

1979 Otmar Pilsak aus Hildesheim lässt sich das „Fahrzeuggerät zur Zielführung“ beim DPMA patentieren und gilt als Erfinder des autonomen automobilen Navigationssystems. Da es zu der Zeit noch kein GPS gab, arbeitete das System mit im Gerät gespeicherten Geländeplandaten.

1989 Das Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS in Erlangen meldet ein „Digitales Codierverfahren“ – das mp3-Verfahren – zum Patent an. Frequenzen, die der Mensch ohnehin nicht hören kann, werden eliminiert. Dadurch lässt sich eine Audiodatei ohne erkennbaren Qualititätsverlust auf rund 10 Prozent der ursprünglichen Größe reduzieren, Musik kann platzsparend gespeichert und Dateien über Datenleitungen schnell übertragen werden.

2014 Agraringenieur Thomas Peters meldet als damaliger Geschäftsführer von Eurogreen in Betzdorf (heute: Rosenheim) ein „Verfahren zur Herstellung eines Hybridrasens sowie Maschine zur Durchführung des Verfahrens“ beim DPMA an. Eurogreen besitzt im Bereich Rasen und Rasenpflege (Fußballstadien, Golfplätze, Tennisstadien und Breitensportplätze) breite Expertise, hat schon 1973 einen Langzeitdünger entwickelt. Jüngste Innovation ist der Rasendünger „Lupigreen“ auf Basis von Lupinen, der den CO2-Fußabdruck in der Düngerproduktion erheblich reduziert. Dafür gab es den Innovationspreis Rheinland-Pfalz 2021 in der Kategorie Industrie. Auch der Großflächenmähroboter „CutCat“, der schon beim Mähen die Qualität des Rasens beurteilen und monitoren kann, gehört zu den Entwicklungen. Eurogreen war bis 2005 eine Abteilung der damaligen Wolf-Garten GmbH und ist seit 2010 Teil der global tätigen BayWa aus Bayern.

2016
Kai Rinklake, Geschäftsführer von Skylotec in Neuwied, erhält beim DPMA das Patent für eine „Sicherungsöse und Sicherungssystem“. Skylotec ist laut eigenen Angaben im Bereich der Absturzsicherungen und seilunterstützten Arbeiten Innovationsführer seiner Branche. 2017 wurde Skylotec etwa mit dem „German Design Award“ für eine Produktserie von Industrieklettergurten ausgezeichnet. Mit dem Rettungs- und Evakuierungsgerät Milan gelang 2002 der Einstieg in den Windenergiesektor. Mit einer fliehkraftgesteuerten Bremse ermöglicht Milan das sichere Abseilen mit konstanter Geschwindigkeit, die Abseilstrecke kann bis zu 500 Höhenmeter betragen.

2017 TK Elevator (früher: Thyssenkrupp Elevator) stellt den seillosen Aufzug Multi vor. Linearmotoren sollen ein „neues Zeitalter der Mobilität in Gebäuden“ einläuten. Das Aufzugssystem Multi könne im selben Aufzugsschacht vertikal und horizontal betrieben werden, informiert das Unternehmen auf seiner Internetseite. Das soll kürzere Wartezeiten, eine höhere Kapazität, weniger Platzbedarf und weniger Gewicht bedeuten. Tests erfolgen in einem Testturm von 232 Metern Höhe. Barbara Malik