Anzeige
75 Jahre Grundgesetz: Das Haus der Geschichte in Bonn

75 Jahre Grundgesetz: Das Haus der Geschichte in Bonn

In Bonn wird die Geschichte der Bundesrepublik und die Entstehung des Grundgesetzes lebendig. Die Fotografin Erna Wagner-Hehmke begleitete die Arbeiten am entstehenden Grundgesetz aus nächster Nähe.

23.05.24
75 Jahre Grundgesetz: Das Haus der Geschichte in Bonn

Das Haus der Geschichte in Bonn ist eine Zeitreise durch die Bundesrepublik Deutschland. Foto: Oliver Berg

Nur 300 Meter Luftlinie vom Bonner Haus der Geschichte entfernt, entstand ab 1948 – nur drei Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, vor dem Hintergrund der beginnenden deutschen Teilung und des heraufziehenden Kalten Krieges – das Grundgesetz: 65 Männer und Frauen rangen neun Monate lang um den Inhalt dieser Verfassung und schufen – auf der Suche nach einem vermeintlichen Provisorium – etwas völlig Neues: eine wehrhafte Demokratie. Ein historischer Prozess, der glücklicherweise bereits damals in seiner Tragweite erkannt und dokumentiert wurde: Im Auftrag der Staatskanzlei Nordrhein-Westfalens begleitete Fotografin Erna Wagner-Hehmke die Arbeiten am entstehenden Grundgesetz aus nächster Nähe. Abgesehen von diesen Bildern existieren nur etwa zehn Minuten Filmaufnahmen und wenige Tonaufzeichnungen von den Beratungen des Parlamentarischen Rates. Wagner-Hehmke sind zahlreiche ikonische Bilder zu verdanken, beispielsweise von den „Müttern des Grundgesetzes“ oder Konrad Adenauers Unterzeichnung des Grundgesetzes. Der Bestand ist ein Teil der Sammlungen der Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, ausgewählte Bilder werden anlässlich des 75. Jubiläums bis September im Haus der Geschichte ausgestellt.

In ihren rund 4.000 Aufnahmen hält Wagner-Hehmke wichtige Meilensteine der schwierigen Verhandlungen über das Grundgesetz fest, zeigt aber auch den Alltag der verfassungsrechtlichen Arbeit. Nicht zuletzt bieten ihre Fotografien einen Eindruck des entstehenden Bonner Regierungsviertels. Heute erlaubt es das Angebot „Weg der Demokratie“ www.wegderdemokratie.de, sich – digital oder ganz analog – auf eine Spurensuche durch das ehemalige Regierungsviertel zu begeben und einen Blick hinter die Kulissen der Bonner Demokratie zu werfen: vom Palais Schaumburg, über das ehemalige Kanzleramt, den Kanzlerbungalow bis hin zum Bundesrat – dem Geburtsort des Grundgesetzes und damit der Wiege der bundesrepublikanischen Demokratie. Im Rahmen einer Begleitung kann der historische Ort Bundesrat erkundet werden. Ein Höhepunkt rund um das Jubiläum des Grundgesetzes ist in diesem Jahr das Bürgerfest am 25. Mai 2024, das mit einem vielfältigen Programm an die Gründung unseres Staates erinnert.

Im Haus der Geschichte selbst lädt die Dauerausstellung „Unsere Geschichte. Deutschland seit 1945“ bis Mitte September 2024 dazu ein, sich auf eine Zeitreise durch die deutsche Geschichte seit 1945 zu begeben. Über 14 Millionen Besuche zählte die bis heute beliebte Ausstellung seit ihrer Eröffnung 1994. Nun allerdings ist es Zeit für eine komplette Neugestaltung – ein großes Projekt mit hohem Anspruch. Bis Ende 2025 soll ein neues Ausstellungserlebnis entstehen, das deutsche Zeitgeschichte emotional, medial und mit attraktiven Objekten präsentiert.

Während die Arbeiten unter Hochdruck laufen, bleibt das Haus der Geschichte mit einem vielseitigen Programm durchgehend für das Publikum geöffnet: Ab Sommer zeigt die Wechselausstellung „Nach Hitler. Die deutsche Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus“, wie sich die Menschen – von der Erlebnisgeneration bis zur heutigen Jugend – zu diesem zentralen Kapitel der deutschen Geschichte verhalten. Zudem bietet das Format „Nur jetzt!“ einen exklusiven Blick hinter die Kulissen des Museums: Besucherinnen und Besucher können die Herzkammer des Museums, die Depots, besichtigen: Wo und wie werden die Objekte aufbewahrt? Warum sammelt das Haus der Geschichte kontinuierlich neue Objekte?

Neben dem Haus der Geschichte in Bonn verfügt die Stiftung über drei weitere Museen, die sich unter anderem der demokratischen Entwicklung Deutschlands widmen. So hatte auch die DDR auf dem Papier eine Verfassung. Für das politische und alltägliche Leben der Menschen blieb sie allerdings ohne nennenswerte Bedeutung. Wie das Leben in der SED-Diktatur – ohne freie Wahlen, Gewaltenteilung oder Reisefreiheit – aussah, beleuchtet die Stiftung im Museum in der Kulturbrauerei und am historischen Ort „Tränenpalast“ am Bahnhof Friedrichstraße in Berlin. Wenngleich als Provisorium erdacht, meisterte das Grundgesetz auch die Wiedervereinigung im Jahr 1990 ohne Blessuren. Welche zentralen Fragen wir dennoch seither kontrovers innerhalb unserer Gesellschaft verhandeln, davon zeugt – neben den Themen SED-Diktatur, friedliche Revolution und Wiedervereinigung – auch die Dauerausstellung im Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig. Zusätzlich zu den physischen Orten ist die Stiftung auch mit einem breiten, stetig wachsenden Angebot im Netz vertreten, wie beispielsweise mit dem „Zeitzeugen-Portal“ www.zeitzeugen-portal.de oder dem Angebot „Orte der Einheit“ www.orteder-einheit.de). In all ihren Angeboten ist es der Stiftung ein wichtiges Anliegen, Menschen für die Geschichte der Bundesrepublik zu faszinieren, ein interessantes Besuchserlebnis zu bieten und zur Auseinandersetzung mit unserer Demokratie anzuregen. Gwendolyn Keppler