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Hör mal!

Hör mal!

Cochlear-Implantate eröffnen neue Hörwelten

26.06.21
Hör mal!

Kleine Maschine, große Wirkung. Das Cochlear Implant besteht aus zwei wesentlichen Komponenten. „Herz“ des Gerätes ist der Empfänger, der außen am Kopf getragen wird. Foto: krishnacreations - stock.adobe.com

Hören ist ein sehr komplexer Prozess, bei dem viele einzelne Schritte aufeinander abgestimmt funktionieren und die körperlichen Voraussetzungen optimal sein müssen. Der Schall eines Geräusches wird von der Ohrmuschel „eingefangen“ und ins Ohr geleitet. Dort wird das Trommelfell in Schwingung versetzt und die Schwingungen über die Gehörknöchelchen zum schneckenförmigen Teil des Innenohrs (Cochlea) weitergeleitet. Hier befinden sich feinste Haarzellen, die diese Schwingungen auffangen und diesen Sinnesreiz an den Hörnerv weiterleiten. Im Gehirn werden dann die Reize, die der Hörnerv gesendet hat, zu einem Klangbild verarbeitet. Wir „hören etwas“. Auch wenn das Gehör eines Menschen im Vergleich zu manchen Vertretern der Tierwelt sehr schlecht abschneidet, die Fähigkeit, selbst leiseste Geräusche wahrzunehmen, in Stereo-Qualität mit der Möglichkeit zu bestimmen, aus welcher Richtung der Ton kommt, ist eine gewaltige Leistung.

Wir nehmen unser Gehör selbstverständlich hin und kümmern uns nicht sehr darum, es gesund zu halten. Erst wenn es nachlässt oder ganz aussetzt wird uns klar, was wir gerade im Begriff sind zu verlieren. Hörverlust geschieht einerseits schleichend, sodass wir zu Beginn gar nicht erkennen, dass wir schlechter hören. Ist der Schaden spürbar, hat sich im Lauf der Zeit das Gehirn schon auf weniger Input vom Hörnerv eingestellt. Die akustische Isolation hat begonnen.

Im Gegenzug dazu sind Kinder, die nicht hörend oder mit schweren Einschränkungen beim Hören geboren werden, von Beginn an isoliert und haben keine Vorstellung davon, dass bestimmte Ereignisse nicht nur optisch, sondern auch akustisch stattfinden.

„Hörschäden oder Verlust der Hörfähigkeit liegt der Untergang der Sinneshärchen zugrunde, aus welchen Gründen auch immer. Bei schleichendem Hörverlust sind sie zunächst teilweise nicht mehr in der Lage, die Reize weiterzuleiten“, sagt Prof. Dr. Jan Maurer, der im Marienhof des Katholischen Klinikums Koblenz-Montabaur das Cochelar-Implant Centrum leitet. „Die in der Cochlea verteilt liegenden Härchen fangen je nach Lage unterschiedliche Frequenzen auf, je tiefer im Innenohr, umso tiefer die wahrgenommenen Frequenzen. Je nachdem, an welcher Stelle die Sinneshaare Schaden nehmen, können höhere oder tiefere Frequenzen nicht mehr wahrgenommen werden. Hörgeräte dienen als Verstärker und können bis zu einem bestimmten Zeitpunkt den Hörverlust ausgleichen, aber irgendwann sind so viele Haarzellen nicht mehr in Funktion, dass eine Unterstützung nur von außen nicht mehr reicht.“

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Stark hörbehinderte Kinder müssen nach der Implantation des Cochlear-Implants spielerisch das „Hören“ lernen. Foto: icarmen13 - stock.adobe.com

Seit den 1960er-Jahren wurde sowohl in den USA, Deutschland als auch in Österreich an einer Möglichkeit geforscht, mittels eines Gerätes auch solchen Menschen zu helfen. Das Resultat ist das Cochlear-Implant, das sich seither rasant weiterentwickelt hat und nun in der Lage ist, Menschen, die vorher schlecht bis gar nicht gehört haben, aber einen intakten Hörnerv besitzen, eine neue Hörwelt zu eröffnen oder wieder zugänglich zu machen. Das Cochelar-Implant, kurz CI, besteht aus Elektroden, die in der Schnecke im Innenohr an den Hörnerv gelegt werden und die Funktion der Sinneshärchen übernehmen. Sie übertragen verschiedene Frequenzen an den Nerv und ermöglichen so das Hören. Prof. Dr. Maurer erklärt: „Früher hat die Operation, um die inneren Teile des CI einzubringen, gut drei bis vier Stunden gedauert, mittlerweile ist die Technik schon so weit fortgeschritten, dass wir nicht mehr als eine oder anderthalb Stunden benötigen.“

Im Rahmen der Op werden die Elektroden gelegt und eine Empfangsspule unter die Kopfhaut gelegt. Sie ist magnetisch und hält den von außen anzulegenden Prozessor fest, der die innen liegenden Teile mit Energie versorgt und andererseits die von außen aufgenommenen Töne elektromagnetisch weiterleitet.

„Mit der Operation ist die Behandlung noch nicht abgeschlossen,“ weiß Prof. Dr. Maurer, „nach Jahren des Nicht-Hörens oder schlecht Hörens müssen unsere Patienten das Hören erst erlernen.“ Und das betrifft tatsächlich nicht nur vormals taube Patienten, sondern auch jene, die schon lange schlecht hören. „So eine Eingewöhnung geht mit der ständigen Anpassung des Implants einher, sie dauert durchaus schon mal ein Jahr oder etwas mehr.“ Lohnend sei ein solcher Einsatz aber durchaus und nicht an ein bestimmtes Alter gebunden. „Ich erinnere mich sehr gerne an einen älteren Herrn, der sehr unruhig war, weil in der Zeit seines Aufenthaltes seine Frau, die er pflegte, von anderen Menschen versorgt werden musste. Wegen seiner schlechten Hörfähigkeit stand die Frage im Raum, in eine Senioreneinrichtung ziehen zu müssen. Ich habe ihn ein Jahr später noch einmal gesprochen und er war überglücklich, weil er nach wie vor mit seiner Frau zu Hause wohnen und seine Selbstständigkeit erhalten konnte.“ Warum viele Patienten zögern, ein Hörgerät oder ein Cochlear-Implant zu tragen, weiß Prof. Dr. Mauer auch. „Als Schwerhöriger wird man erkennbar. Man trägt äußerlich sichtbar etwas, was zuweilen stigmatisiert.“ Das wird aber Dank viel Aufklärungsarbeit besser. Immerhin werden im Jahr fünfzig bis sechzig Cochlear-Implants im Cochlear Implant Centrum (CIC) am Marienhof eingesetzt und eröffnen neue Hörwelten für Menschen jeden Alters. „Mein jüngster Patient war sieben Monate alt, der älteste weit jenseits der Achtzig. Gutes Hören ist in jedem Alter wichtig.“ J.S.