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Da geht nichts mehr. Bandscheibenvorfall.

Da geht nichts mehr. Bandscheibenvorfall.

Diagnose und Abgrenzung

26.06.21
Da geht nichts mehr. Bandscheibenvorfall.

Foto: SciePro - stock.adobe.com

Rückenschmerzen sind die Nummer eins unter den Schmerzproblemen der Deutschen. Kein Wunder, sitzen und liegen wir doch viel mehr, als es unseren Körpern guttut. Um zu verstehen, warum es so ein Kreuz mit dem Kreuz ist, hilft ein Blick auf den Aufbau und die Statik des Rückens.

Gut, dass unser Knochengerüst kein fest miteinander verbundenes Skelett ist! Nicht nur wären wir nahezu starr, jede Bewegung, selbst wenn diese in kleinem Umfang möglich wäre, würde sie unerträgliche Schmerzen verursachen. Die perfekte Mischung aus Stabilität und Flexibilität ermöglicht dem Menschen, mit seinem Körper die unglaublichsten Dinge zu tun. Dabei geben die Knochen das feste Gerüst vor, Gelenke bewegen, Sehnen, Bänder und Muskulatur schenken die notwendige Mischung aus Stabilität und Festigkeit.

Diese Kombination funktioniert an vielen Stellen des Körpers hervorragend, für den Rücken reicht es nicht aus. Hier sind 24 Wirbelkörper wie ein Turm aus Bauklötzen übereinander gestapelt. Wären diese Wirbel miteinander verbunden, wäre der Mensch steif wie ein Pfosten und seine Bewegungsmöglichkeit massiv eingeschränkt. Wirbelkörper bilden die zentrale Achse im Körper des Menschen, sind Ankerpunkt für Rippen und bilden mit ihren Wirbelbögen einen schützenden Kanal für unser Rückenmark, der „Hauptverkehrsader“ für Informationen vom Gehirn in alle Teile des Körpers. 7 Halswirbel, 12 Brustwirbel und 5 Lendenwirbel formen das für Menschen typische Doppel-S. Zwischen den Wirbeln treten auf jeder Etage Rückenmarksnerven durch das sogenannte „Foramen“, das Zwischenwirbelloch aus und versorgen unterschiedliche Bereiche. Zwischen den Wirbelkörpern sorgen die Bandscheiben für die nötige Dämpfung. Sie bestehen aus zwei Schichten, dem Nucleus pulposus, einem zellarmen, gallertartigen Gewebe, das bis zu 85 Prozent Wasser enthält und sich einem Wasserkissen gleich nicht zusammenpressen, aber verformen lässt. Um diesen Kern herum sorgt der Anulus fibrosus aus vielen Schichten kollagener Bindegewebsfasern dafür, dass der Gallertkern an seiner Position verbleibt.

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Der menschliche Körper ist für eine ausgewogene Belastung mit Laufen, Gehen, Stehen, Sitzen und Liegen ausgelegt. Der moderne Mensch hält sich nur selten an diese „Betriebsanleitung“, es überwiegt eine Form der Belastung, häufig ist es das Sitzen. Die Muskulatur des Rumpfes, bestehend aus Bauch- und Rückenmuskulatur und gedacht, die aufrechte Position der Wirbelsäule zu unterstützen, bildet sich angesichts der geringer werden Beanspruchung zurück und verliert nach und nach die Fähigkeit, ihre Aufgabe zu erfüllen. Auch einseitige Belastung oder das häufige Tragen schwerer Lasten, Schädigungen der Hüfte, der Knie oder sogar der Füße verändern die Muskulatur und lassen ein Ungleichgewicht entstehen.

Als Resultat verändert sich die Statik der Wirbelsäule und der Druck, welcher auf die Bandscheiben trifft, verteilt sich nicht mehr gleichmäßig oder wird nicht mehr ausreichend durch die Muskeln abgefangen. Der Faserring, der das Innere der Bandscheibe zusammenhalten soll, ist dieser Belastung nicht ewig gewachsen und es bilden sich Risse. Zusätzliche schädigende Verhalten wie nicht ausreichende Flüssigkeitszufuhr oder Rauchen beschleunigen diese Vorgänge noch.

Schon die sich verändernde Muskulatur und die unausgewogene Bewegung führt bei vielen Menschen zu Rückenproblemen. An vielen Stellen bilden sich muskuläre Verspannungen, die sehr schmerzhaft sein können und die Bewegung sehr einschränken. Mit gezielter Bewegungstherapie und physiotherapeutischen Maßnahmen sind diese Verspannungen aber zu lösen und die Schmerzen zu bekämpfen. Wenn die Ursache für die Verspannungen aber nicht beseitigt werden, beginnt ein Kreislauf, der irgendwann in einem Bandscheibenvorfall enden kann.

Aber was ist nun ein Bandscheibenvorfall und was geschieht dabei?

Wenn der Faserring seine ersten Schäden erhält und der Druck der innen liegenden Gallertmasse immer schlechter zu halten ist, beginnt sich der Ring an der schwächsten Stelle vorzuwölben. Häufig geschieht das in Richtung des Nervenkanals, der „Hauptverkehrsader“. Dort ist nicht viel Platz, das Nervengewebe ist empfindlich und reagiert auf den entstehenden Druck mit Schmerz. Der strahlt dorthin aus, wo die Nerven, die beengt sind, ihre Informationen senden. So verursacht eine Vorwölbung im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule Schmerzen des Ischias-Nervs, der vom Gesäß über die Rückseite des Oberschenkels verläuft. Vorwölbungen im Bereich der Halswirbelsäule verursachen Schmerzen in den Armen. Häufig geht mit einer Vorwölbung auch schon eine Schwächung der betroffenen Muskulatur einher, weil sie nicht mehr ausreichend Nervensignale erhält.

Reißt der Faserring an einer Stelle komplett auf, kann sich die innen liegende Gallertmasse bei einer Belastung in Richtung des Nervenkanals ungehindert ausdehnen und dort die empfindlichen Nerven bedrängen. Deren Gewebe reagiert auf dauerhaften Druck oder Einklemmung mit irreparabler Schädigung. Taubheitsgefühle, Kribbeln, Schmerzen, Bewegungsstörungen, Inkontinenz, die Folgen der Einklemmung durch den Austritt von Material des inneren Rings nach außen sind vielseitig.

Was tun?

Stabilität durch eine gute Muskulatur ist das A und O der Rückengesundheit. Deshalb wird eine muskuläre Dysbalance und auch eine Bandscheibenvorwölbung vorwiegend mit Physiotherapie und der dringenden Empfehlung, ausreichend Sport zu treiben, das Rauchen einzustellen und Gewicht zu reduzieren, behandelt. Eine entsprechende sanfte Schmerzbehandlung kann in den ersten Wochen das Training unterstützen.

Eine Infiltration der Nervenwurzel mit einem Cocktail aus entzündungshemmenden und schmerzmindernden Medikamenten, die unter Röntgenkontrolle erfolgt, kann ebenfalls zur Linderung der Symptome führen. Dies geschieht aber ebenfalls, um den Muskelaufbau zu ermöglichen und die Lebensqualität wieder herzustellen.

Eine OP wird dann notwendig, wenn durch einen größeren Prolaps/Vorfall Material in den Nervenkanal gelangt und die Gefahr einer dauerhaften Schädigung des Nerven besteht. Hier bleibt oftmals nur noch die OP als Mittel, um entweder das Material, welches den Druck auslöst, zu entfernen, oder die beiden Wirbelkörper mit etwas Abstand mittels eines sogenannten Caches zu fixieren, einer Art Metallklammer, die zwei Wirbel verbindet. Das vermindert die Beweglichkeit in diesem Segment, schützt aber im weiteren Verlauf vor Nervenschäden durch Kompression an dieser Stelle. Auch nach einer erfolgten Operation bleibt es bei der unbedingten Empfehlung, durch den Muskulaturaufbau den Halteapparat zu stärken und weitere Schäden zu vermindern. J.S.