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Im Gespräch: Lars Kober, Leiter der Wirtschaftsförderung Kreis Altenkirchen

  

10.05.22
Im Gespräch: Lars Kober, Leiter der Wirtschaftsförderung Kreis Altenkirchen

Lars Kober Foto: Wir Westerwälder

Der Kreis Altenkirchen setzt verstärkt auf Kooperationen mit den Nachbarkreisen Westerwald und Neuwied. Wie wichtig ist die Bündelung von Kräften, etwa in der Initiative „Wir Westerwälder“?

Kooperationen sind immer sinnvoll, wenn sich für alle Beteiligten – egal ob Unternehmen, Kommunen oder Kreise - ein Mehrwert ergibt. Bereits seit Mitte der 2000er kooperieren die drei Landkreise Altenkirchen, Neuwied und der Westerwaldkreis im Rahmen der Wir Westerwälder Initiative. Den Ursprung zur Zusammenarbeit bildete damals der Tourismus. In den folgenden Jahren wurden immer mehr Themen gefunden, die wir in gemeinsamen Projekten angingen. Exemplarisch sind hier die Westerwälder Holztage, die bereits 2009 unter gemeinsamer Flagge veranstaltet wurden, sowie die Westerwälder Literaturtage zu nennen. Aktuell erstellen wir zusammen mit den Wirtschaftsförderungen des Westerwaldkreises und Neuwied eine regionale Gewerbeflächenanalyse.

Auch im Bereich des Fachkräftemangels arbeiten wir eng zusammen. So haben wir Anfang 2021 das Projekt „Westerwälder Naturtalente“ ins Leben gerufen. Unternehmen haben hier die Möglichkeit, sich jungen Menschen als attraktiver Arbeitgeber zu präsentieren. Die Ausbildungsfibel, das Kernstück der Initiative, wird allen Schülerinnen und Schülern der Klassenstufen 8, 9 und 12 eine Woche vor den Sommerferien über die Klassenleitung persönlich ausgehändigt. Dadurch möchten wir sicherstellen, dass die Informationen die Schülerinnen und Schülern tatsächlich erreichen. Die Erstausgabe erfreute sich einer sehr großen Resonanz. Es hat sich gezeigt, dass gewisse Projekte nur dann erfolgreich umgesetzt werden können, wenn man als Region zusammenarbeitet. Ich empfehle allen Bürgerinnen und Bürgern und Unternehmerinnen und Unternehmern, die sich umfassend über die Projekte der Gemeinschaftsinitiative „Wir Westerwälder“ informieren möchten, den Besuch der Homepage www.wir-westerwaelder.de.

Im Gespräch: Lars Kober, Leiter der Wirtschaftsförderung Kreis Altenkirchen-2

Der Kreis und die Wirtschaftsförderung haben eine Befragung zum Thema „Coworking Spaces“ angestoßen. Wird sich unsere Arbeitsrealität künftig in diese Richtung entwickeln?

Unsere Arbeitsrealität verändert sich im Grunde seit der Erfindung der Dampfmaschine kontinuierlich. Etwa 1780 kam die Massenproduktion, und die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit betrug 80 Stunden. Mit der Nutzung der Elektrizität und des Fließbandes um 1870 waren es schon nur noch 60 Stunden. 1969 brachte der Computer mehr Automatisierung in die Arbeitswelt und reduzierte die Stundenanzahl nochmals auf 40 Stunden. Seit der digitalen Revolution und Vernetzung in den 90er Jahren gibt die Wissenschaft eine durchschnittliche Arbeitszeit von nur noch 35 Stunden an. Perspektivisch gehen Zukunftsforscher von 25 Stunden aus. Das heißt, die Arbeitswelt unterliegt abhängig von diversen Faktoren einem stetigen Wandel. Was jetzt allerdings hinzu kommt, ist die Geschwindigkeit, mit der diese Veränderungen eintreten. Auch hier ein Beispiel, das diese Schnelllebigkeit verdeutlichen soll. Man brauchte 68 Jahre, um 50 Millionen Menschen das Flugzeug zugänglich zu machen. 62 Jahre waren es beim Pkw. Das Mobiltelefon schaffte dies in nur zwölf Jahren. Facebook hatte diese Nutzerzahl bereits nach drei Jahren erreicht. Aktueller Spitzenreiter ist das Spiel „Pokemon Go“ mit 19 Tagen.

Was ich damit sagen möchte ist, dass es einfach sehr schwer vorauszusagen ist, wie sich nicht nur die Arbeitswelt, sondern unser gesamtes Leben verändert. Klar ist, dass alles immer schneller wird. Ob dies für die menschliche Entwicklung förderlich ist, darüber kann man streiten, aber so ist die mittel- bis langfristige Perspektive. Diese Überlegungen lassen sich auch auf die Entwicklung neuer Arbeitsmodelle, wie einen Coworking Space, übertragen. 
         

Im Gespräch: Lars Kober, Leiter der Wirtschaftsförderung Kreis Altenkirchen-3
Foto: Vasyl - stock.adobe.com

Im Ursprung wurden Coworking Spaces verstärkt in städtischen Räumen etabliert, und mittlerweile „schwappt“ diese Welle auch auf den ländlichen Raum über. Die Gründe für die Nutzung eines Coworking Spaces sind vielfältig. Es geht um den Austausch mit anderen Menschen, das Bilden von Netzwerken sowie das Vermeiden von langen Anfahrtswegen zum Arbeitsplatz – sowohl aus zeitlichen als auch aus finanziellen Aspekten. Letzteres könnte man auch sicherlich durch die Einrichtung eines Home Office Arbeitsplatzes realisieren. Die langfristige Perspektive von Coworking Spaces lässt sich nicht mit Gewissheit vorhersagen, dennoch hat unsere Befragung gezeigt, dass viele Menschen nicht dauerhaft alleine in den eigenen vier Wänden arbeiten möchten. Eine weitere Erkenntnis unserer Befragung ist, dass Unternehmen viel offener für die Nutzung von Coworking Spaces für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sind, als diese es selbst einschätzen. Wir als Wirtschaftsförderung verstehen uns als Bindeglied zwischen interessierten Investoren, Betreibern und Nutzern des Coworking Spaces. Wir sehen unsere Aufgabe in der Beratung und Vermittlung. Aktuelle Gespräche verlaufen vielversprechend, aber ich kann heute noch nicht final sagen, ob ein oder mehrere Coworking Spaces im Landkreis errichtet werden.

Hat der Breitbandausbau im AK-Land mittlerweile das Stadium erreicht, dass die Region ein attraktiver Raum für Unternehmen, aber auch für Familien ist – oder wo sehen Sie noch Nachholbedarf?

Wir konnten in den letzten sechs Jahren die Breitbandinfrastruktur erheblich verbessern. Weit über 95 Prozent der Anschlussnehmerinnen und Anschlussnehmer im Kreis verfügen über eine Bandbreite von 50 Mbit/s. Vor zehn Jahren hätten wir gesagt „damit sind wir versorgt“, aber der Bedarf an schnellen Bandbreiten steigt exponentiell.

Die Grundlage für die Berechnung des zukünftigen Breitbandbedarfs bildet eine Berechnungsformel von Jakob Nielsen, ein dänischer Fachbuchautor, der eine gewisse Gesetzmäßigkeit im Zusammenhang mit der Entwicklung von zukünftigen Bandbreiten entdeckte. Vergleicht man den von Herrn Nielsen prognostizierten Bedarf mit dem tatsächlichen Bedarf, ist man erstaunt, wie nahe Soll- und Istwerte beieinander liegen. Stark vereinfacht lautet die Faustformel „jedes Jahr erhöht sich der Geschwindigkeitsbedarf um 50 Prozent“. Da die Berechnung eines jeden Jahres die Geschwindigkeit des Vorjahres als Basis heranzieht, entsteht ein exponentieller Wachstumseffekt. Diese Tatsache zu verstehen, ist äußerst wichtig, denn nur so wird klar, dass wir perspektivisch höhere Bandbreiten benötigen und wir dies nur mit gigabitfähigen Netzwerken erreichen können. Sicherstellen können wir dies entweder über Kabel- oder Glasfasernetze. Positiv wahrgenommen haben wir, dass in Zeiten der Coronakrise die vorhandenen Bandbreiten grundsätzlich ausreichten, um Home Office & Home Schooling gewährleisten zu können.

Natürlich gibt es immer noch Regionen in unserem Landkreis, die einen hohen Nachholbedarf haben, aber auch hier arbeiten wir an Lösungen. Unser Ziel ist es, bis Ende 2028 eine flächendeckende Gigabitversorgung im Kreis vorzuhalten. Dies klingt noch sehr weit weg, aber man muss sich vor Augen führen, was getan werden muss, um einen Ort, eine Verbandsgemeinde beziehungsweise einen gesamten Kreis mit solch einem Netz aufzubauen. In fast jeder Straße muss die Asphaltschicht aufgerissen, Gräben gezogen und Leitungen verlegt werden. Hinzu kommen die Hausanschlüsse, also der Abzweig von der Straße rein in die Keller der Einwohnerinnen und Einwohner. Finanziell gehen wir von Kosten in Höhe von 220 Millionen Euro aus. Davon müssen die Kommunen einen Eigenanteil von zehn Prozent tragen. Die restlichen 90 Prozent sollen vom Bund (50 Prozent) und vom Land Rheinland Pfalz (40 Prozent) beigesteuert werden. Ohne Frage eine enorme Summe, aber ein flächendeckendes Gigabitnetz bietet auch enorme Chancen für unseren ländlich geprägten Kreis. Im Digitalisierungszeitalter spielen physische Entfernungen keine Rolle mehr, das heißt, wir können mit einer schnellen Datenautobahn Unternehmen und Bürgerinnen und Bürger für unsere Region gewinnen, die bisher verstärkt in urbanen Gebieten ansässig sind und leben.