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Die Situation des Handwerks im Kreis Altenkirchen

Drei Fragen an die Kreishandwerkerschaft Rhein-Westerwald

10.05.22
Die Situation des Handwerks im Kreis Altenkirchen

Foto: Comeback Images - stock.adobe.com

Viele Handwerksbetriebe, auch bei uns im Kreis Altenkirchen, freuen sich über volle Auftragsbücher. Ist die Situation in den heimischen Betrieben tatsächlich so sonnig – oder gibt es auch Wolken am Konjunkturhimmel?

Ein ganz klares Ja! Die sich seit Jahresanfang 2021 entwickelnde Preissteigerung bei der Beschaffung von Materialien sowie deren teilweise fehlende Verfügbarkeit trüben die allgemeine Situation am beschriebenen Konjunkturhimmel. Erschwerend kommen nun noch die in die Höhe schießenden Energiekosten hinzu, die nicht eins zu eins auf Kunden umgelegt werden können, insbesondere bei längerfristigen Aufträgen. Darüber hinaus bleibt der seit Jahren zunehmende Fachkräftemangel ein echtes Problem sowohl was die Sicherung als auch den Ausbau der Geschäftstätigkeit unserer Betriebe angeht.

Wie beurteilen Sie die Lehrstellensituation im Handwerk vor Ort? Wie lässt sich die Attraktivität eines Ausbildungsangebots an Jugendliche vielleicht noch steigern?

Der Rückgang bei den Ausbildungszahlen zieht sich generell durch alle Branchen, das ist nicht alleine ein Problem des Handwerks. Generell kann man feststellen: Studium ist „in“, die duale Ausbildung „out“! Selbstverständlich wird auch seitens der Handwerksorganisationen vehement versucht, diesem Trend entgegenzusteuern. Die notwendigen Plattformen zur Darstellung des Handwerks werden zweifellos geboten, ich erinnere an Azubi-Spots, Azubi-Speed-Dating, Ausbildungsmessen, das Bereitstellen von Praktikumsplätzen und unsere Präsenz in den Schulen auch außerhalb der organisierten Veranstaltungen. Außerdem wird seit Jahren seitens des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks über eine groß aufgelegte Werbekampagne mit immer neuen Themenschwerpunkten auf die Attraktivität einer handwerklichen Ausbildung hingewiesen. Aber es ist auch jeder einzelne Betrieb gefordert, diese Instrumente kontinuierlich intensiv zu nutzen, den Nachwuchs für das Handwerk zu begeistern und damit seinen Beitrag bei dieser Herkulesaufgabe zu leisten.

Ist der Fortbestand der Handwerksbetriebe vor Ort gesichert, oder sind mit Blick auf eine geschmeidige Nachfolgeregelung aus Ihrer Sicht noch Weichen zu stellen?

Nach unseren Informationen liegt das Durchschnittsalter der Betriebsinhaber bei circa 55 Jahren, und rund 25 Prozent der Betriebsinhaber sind bereits über 60 Jahre alt. Die logische Schlussfolgerung lautet deshalb, dass in den nächsten fünf bis sieben Jahren eine Menge Betriebsübergaben und im ungünstigsten Fall eben auch Betriebsschließungen auf uns zukommen werden.

Das Problem dabei ist, dass immer weniger junge Menschen den Weg in die Selbstständigkeit suchen. Die Gründe dafür sind vielschichtig: Einige wollen das finanzielle Risiko nicht eingehen – zum Teil sind sehr hohe Anschaffungskosten für Maschinen, Geräte und Werkzeug oder den Fuhrpark zu stemmen. Andere scheuen die längeren Arbeitszeiten auch in den Abendstunden und am Wochenende – Stichwort: Work-Life-Balance beziehungsweise Familienplanung. Und dann muss man lernen, mit den hohen bürokratischen Hürden umzugehen und natürlich auch soziale Verantwortung für die Mitarbeiter zu tragen. Deshalb gilt es aus Sicht der Betriebe, frühzeitig die entsprechenden Weichen zu stellen. Je früher ein potenzieller Nachfolger oder eine Nachfolgerin sich diesen Herausforderungen stellen kann und dabei ein Coaching der „Alten Hasen“ erhält, umso besser. Eine gute und organisierte Übergabe braucht in der Regel mindestens fünf Jahre Vorlaufzeit.