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Servicemitarbeiter im Theater: Ein bühnenreifer Job

Arbeit im Theater: Einlasskontrolle, Saalwache, Schichtarbeit, Versicherungen vom Arbeitgeber, Monatsticket für den öffentlichen Nahverkehr, festgelegte Stundenzahl und mehr

29.04.23
Servicemitarbeiter im Theater: Ein bühnenreifer Job

Foto: Moira Frank

AIs Gast sieht alles makellos aus. Zwei große, einladende Foyers, Rezeption, VIP-Bar. Die Mitarbeiter stecken alle in passender Kleidung. Abgestimmt. ,,Wir haben erst seit gestern eine eigene Garderobe", verrät Ulrike und lacht. Das Theater wurde für ein neues Stück komplett umgebaut. Klar, dass der sichtbare Teil, der für die Gäste, zuerst gemacht wird. ,,Grade ist alles noch ein wenig im Ausnahmezustand, aber das legt sich sicher noch. Man gibt sich wirklich viel Mühe."

Ulrike arbeitet seit einem Monat im Theater, ihre Aufgaben hier sind „mannigfaltig", wie sie sagt. Wo sie eingeteilt ist, erfährt sie vorher. Meist steht sie an der Kasse und verkauft Getränke und Snacks für die Besucher, manchmal steht sie beim Einlass, aber auch an der Garderobe und begrüßt die Gäste, nimmt ihre Jacken und Mäntel entgegen.

Andere Aufgaben sind die Einlasskontrolle und die Saalwache während des Stücks und der Nacheinlass für Gäste, die sich verspätet haben, dafür hat sie eine Taschenlampe und ein Funkgerät mit Knopf im Ohr, damit man die anderen Gäste so wenig wie möglich stört.

Ulrike hat Theaterwissenschaften studiert. Dabei hat sie vor allen Dingen gelernt, wie es auf der Bühne zugeht. Jetzt ist sie grade mit dem Studium fertig und in eine neue Stadt gezogen. Da darf man nicht wählerisch sein. Immerhin hat mein Job grade was mit Theater zu tun." Vorher, während des Studiums, hat sie im Kino gearbeitet. Ähnliche Aufgaben, aber irgendwie doch ganz anders. Im Kino gibt es die Cola in Plastikbechern, im Theater in Glasflaschen. Gegen einen beträchtlichen Aufpreis darf man als Gast vor dem Stück in der VIP-Lounge sitzen, inklusive Snack- und Getränke-Flatrate und teurem Alkohol. Hier sitzt man an Tischen und wird bedient. ,,Da bestellt dann jemand zweimal eine Flasche Champagner für jeweils 70 Euro. Irgendwie verrückt, wie wenig Geld das für manche ist."

Foto: andrys lukowski - stock.adobe.com
Foto: andrys lukowski - stock.adobe.com

Ulrike arbeitet in Schichten, eine Schicht dauert jetzt, wo alles langsam ins Rollen kommt, noch 6,5 Stunden, später sollen es nur noch 5 Stunden sein. Meist arbeitet sie zwei Schichten hintereinander, dazwischen sollen 45 Minuten Pause liegen, aber in einem Rutsch kriegt man die nicht hin, man ist davon abhängig, wann das Stück endet und wann es neu beginnt.

Ulrike verdient über Mindestlohn, sie ist außerdem fest angestellt, um die Versicherungen kümmert sich also der Arbeitgeber. Sobald die erste stressige Phase durch ist, soll sogar ein Monatsticket für den öffentlichen Nahverkehr dazukommen.

Das Besondere an der Festanstellung ist, dass sie für eine festgelegte Stundenzahl im Monat bezahlt wird, auch wenn sie wegen Krankheit ausfallen sollte. Das bietet Sicherheit. Zusätzlich darf Ulrike alles Trinkgeld behalten, was sie bekommt. Das Meiste gibt es dabei wohl an der Garderobe. ,,Ich fand das erstaunlich. An der Snackbar kaufen die Leute manchmal für über 50 Euro Süßigkeiten und geben keinen Cent dazu, aber bei den 2 Euro für die Garderobe legt man gerne etwas drauf." Sie teilt das Trinkgeld gerne mit Kollegen, die ihr an dem Abend zugearbeitet haben, beispielsweise an der Bar, oder mit denen, die für Jobs eingeteilt wurden, bei denen wenig Trinkgeld zu erwarten ist.

Die Hauptarbeitszeit im Theater ist abends, vor, während und nach dem Stück. Zu arbeiten, wenn andere frei haben, findet Ulrike meistens in Ordnung. ,,Leute haben viel Geld bezahlt, um hierher zu kommen. Das ist ihre Freizeit. Es sind viele Kinder da. Alle sind gut gelaunt, das steckt an." Nur manchmal ist es frustrierend, wenn die Gäste nach dem Stück nach Hause gehen - dann ist es halb 11 nachts- und einem einen „Schönen Feierabend" wünschen. Ich muss dann noch mindestens 1 1/2 Stunden arbeiten." Offiziell muss Ulrike um 12 Uhr nach Hause gehen, das sieht der Gesetzgeber vor. 

Ihr letzter Bus unter der Woche kommt um 0:20, wenn sie den verpasst, fährt der erste Nachtbus erst 90 Minuten später. Aber gerade jetzt in der Anfangsphase müssen die Servicemitarbeiter auch einmal länger bleiben. Der Saal muss aufgeräumt werden, Gläser gespült und Theken gereinigt werden. ,,Einmal waren wir so spät, dass der Arbeitgeber uns allen ein Taxi nach Hause bezahlt hat."

Zwei Tage die Woche hat Ulrike frei, ihr Wochenende sind allerdings Montag und Dienstag, denn da finden keine Vorstellungen statt. ,,Es hilft, Freunde zu haben, von denen die meisten auch keinen klassischen 9-to-5-Arbeitstag haben." Trotzdem ist es manchmal schwer, gemeinsame Termine zu finden, wenn die Wochenenden immer blockiert sind. Das kann einsam machen, daher ist es häufig kein Job für die Ewigkeit.

Das Schwerste ist, sagt Ulrike, sich an den neuen Tagesrhythmus zu gewöhnen. Es ist ungewohnt, alle seine Erledigungen, wie beispielsweise das Einkaufen, vor der Arbeit zu machen. „Am Anfang hab ich gar nicht mehr eingekauft. Wenn man vor der Arbeit rausgeht, fühlt sich das an, als verschwende man seine Freizeit." Wenn sie nachts nach Hause kommt, ist es schon nach 1 Uhr, manchmal später. ,,Das geht auf die Psyche. Man ist sehr davon abhängig, was ein Partner oder ein Mitbewohner eingekauft oder gekocht hat. Wenn man so spät heim kommt, macht man nichts mehr. Außer ins Bett gehen." Fionna Frank