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Trauer oder Depression?

Trauer oder Depression?

26.01.22
Trauer oder Depression?

Foto: Stanislaw Mikulski - stock.adobe.com

Trauer nach dem Tod eines nahestehenden Menschen geht häufig mit Beschwerden und Einschränkungen einher, die auch für eine depressive Erkrankung typisch sind, zum Beispiel Niedergeschlagenheit, Antriebslosigkeit, Interessenverlust, Schlafstörungen, Appetitverlust, Freudlosigkeit.

Trauer und Depression scheinen also zum Verwechseln ähnlich zu sein. Eine sorgfältige Unterscheidung von Trauer und Depression ist jedoch enorm wichtig, damit Menschen mit normalen Trauerreaktionen nicht irrtümlich als an einer Depression erkrankt diagnostiziert werden, aber auch damit Trauernden, die an einer Depression erkranken, nicht die notwendige Hilfe verwehrt bleibt.

Sowohl Trauer als auch Depression sind mit seelischem Leid verbunden. Dennoch können Unterschiede ausgemacht werden, was die Qualität und die Dauerhaftigkeit der negativen Stimmungslage angeht. Viele Hinterbliebene berichten, dass der Kummer in Wellen kommt, aber auch wieder abebbt. Und bei allem Schmerz bleibt in der Regel die Fähigkeit erhalten, Momente positiver Emotionen zu erleben und in bestimmten Aktivitäten Trost zu finden.
   

Regulierungsfähigkeit oder Ausgeliefertsein:

In der Trauer kann das Erleben von seelischem Leid verbunden sein mit einem Gefühl der bejahenden Hingabe an den Schmerz. Die Intentionalität muss sich jedoch nicht nur auf die Bejahung schmerzhafter Empfindungen beziehen. Deren Vermeiden ist häufig ebenfalls bewusstes Bewältigungsverhalten, damit Trauernde sich Auszeiten vom Schmerz nehmen oder sie sich ihren Alltagsverpflichtungen stellen können. Gerade die Fähigkeit, die eigenen Emotionen zumindest teilweise regulieren zu können, d.h. je nach Situation zwischen bejahendem Zulassen und bewusstem Vermeiden von schmerzhaften Gefühlen zu pendeln, gilt als wesentliches Merkmal normaler Trauer.

In einer Depression fühlen sich Betroffene der negativen Stimmung weitgehend ausgeliefert. Sie werden hineingezogen und erleben die Stimmung als nicht beeinflussbar, trotz eigener Regulierungsversuche.
  

Intensives Denken oder pessimistisches Grübeln:

Es mag wenig überraschen, dass der Tod eines geliebten Menschen die Gedanken des Hinterbliebenen stark beherrscht. Wiederkehrende Gedanken kreisen um die Todesumstände und den Verstorbenen. Auch sich aufdrängende Erinnerungen an den Verstorbenen, sorgenvolle Gedanken um die Zukunft ohne ihn, gelten als Kennzeichen normaler Trauer. Ebenso normal sind Konzentrationsschwierigkeiten und sprunghaftes Denken.

Intaktes Selbstwertgefühl oder Selbstabwertung:

Ein ganz wesentlicher Unterschied zwischen Trauer und Depression betrifft das Selbstwertgefühl der Betroffenen: Hinterbliebene erleben sich zwar in ihrer Identität erschüttert, doch ihr Selbstwertgefühl ist nicht in dem Ausmaß beschädigt, wie dies für Menschen typisch ist, die an einer Depression leiden.