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„Fragen stellen – Antworten finden“

„Fragen stellen – Antworten finden“

Reiner Engelmann mit seiner Lesung zu „Der Buchhalter von Auschwitz“ zu Gast an der Europaschule BBS Boppard

30.01.21
„Fragen stellen – Antworten finden“

Reiner Engelmann Foto: BBS Boppard

Sachkompetent und voller Überzeugung in seinem Einsatz für Würde und Menschenrechte stellte Reiner Engelmann auf Einladung des Pädagogik-Lehrers Per Layendecker sein Buch zum SS-Mann Oskar Gröning an der BBS Boppard vor.

Aufgewachsen im „Erinnerungsk(r)ampf“ der bundesdeutschen Nachkriegszeit setzte er sich mit der Gewaltgeschichte im Nationalsozialismus auseinander. „Ich hatte so viele Fragen und kaum Antworten“, umschreibt er seine Forschungsmotivation. Damit stand er nicht allein, zeichnete sich das gesellschaftliche Leben in der jungen Bundesrepublik doch mehrheitlich durch eine wirtschaftliche Aufbruchsstimmung bei gleichzeitiger Verdrängung der eigenen Verantwortung für die deutschen Verbrechen aus. „Ich will nicht zur nächsten Generation gehören, die zu Menschenrechtsvergehen schweigt“, erklärt er den Schülerinnen und Schülern, warum er seine Recherchen zu den Verbrechen des faschistischen Völkermords begann.

Entstanden sind daraus zahlreiche Sachbücher zur Gewaltherrschaft im Nationalsozialismus und zum gegenwärtigen Rechtsextremismus. „Wir wissen, dass in Auschwitz eine Million Menschen ermordet wurden. Aber was sagt diese Zahl? – Dahinter verschwindet der einzelne Mensch“, beklagte Engelmann. Genau dem geht er in seinen Büchern nach, so auch in dem 2018 im cbj-Verlag erschienenen Titel „Der Buchhalter von Auschwitz. Die Schuld des Oskar Gröning“.

„Fragen stellen – Antworten finden“-2
Foto: BBS Boppard

Oskar Grönings Weg führte von der nationalistischen Kindheitsprägung durch seinen Vater über die Jugend-Organisation im stramm patriotischen und völkischen „Stahlhelm“ und die „Hitler-Jugend“ zum freiwilligen Eintritt in die Waffen-SS noch während der Banklehre. Statt des ersehnten Frontdienstes für das Vaterland erhielt er Einsatzbefehle für verschiedene Konzentrationslager, darunter Dachau und zuletzt Auschwitz als Buchhalter in der Verwaltung des „Häftlingseigentums“. Nach dem Krieg gelang ihm nach glimpflicher Gefangenschaft eine Karriere als Personalchef und ehrenamtlicher Richter. Für die Vergangenheit galt für ihn die Devise „Frag mich nicht!“. 2005 bestätigte er öffentlich die Existenz der Vernichtungslager. Er trat in verschiedenen Prozessen zunächst als Zeuge gegen NS-Verbrecher auf, bevor er 2015 selbst vor dem Landgericht Lüneburg wegen Beihilfe zu 300000-fachem Mord zu drei Jahren Gefängnis verurteilt wurde.

Neben der schriftstellerischen Motivation diskutierten die Schülerinnen und Schüler im Anschluss an die Lesung mit Reiner Engelmann insbesondere Fragen der Gegenwartsrelevanz des Themas. Für Engelmann heißt das: Zivilcourage im Alltag gegen Diskriminierung zeigen und von der Politik konsequentes Eintreten für Menschenrechte fordern. Hierin sieht auch Gastgeber und Moderator Per Layendecker ein wichtiges Ziel schulischer Erziehungs- und Bildungsarbeit: „Wir müssen in der Schule immer wieder die Bedeutung überzeitlicher Werte von Respekt und Würde verdeutlichen.“