Anzeige
Die „Pilliger Heck“ wurde besiedelt

Die „Pilliger Heck“ wurde besiedelt

 

10.09.22
Die „Pilliger Heck“ wurde besiedelt

Schon oft wurde gefragt, wie die Gemeinde Pillig wohl an den Waldbesitz komme, der doch immerhin etwa 4 km von ihr entfernt liegt. Es geht die Sage, dass einst zwei ledige Schwester den Besitz der Gemeinde Keldung angeboten hätten mit der Auflage, dass die Gemeinde für ihren Unterhalt bis an ihr Lebensende aufkommen solle. Der Gemeinde Keldung sei dieser Kaufpreis zu hoch gewesen, so dass dann Pillig zugegriffen habe. Nach einer anderen Lesart soll der Besitz ursprünglich dem Kloster Ravengiersburg gehört haben, das in Pillig Feuerstellen unterhielt.

Die Heck, von den Einheimischen kurz „Besch“ genannt, war nicht Eigentum der Gemeinde, sondern Eigentum der „Bürger“. Lediglich die Verwaltung oblag dem Gemeinderat. Durch Zuzahlung einer bestimmten Summe konnte jeder „Bürger“ werden, wobei jedem Haus jedoch nur ein Bürgerrecht zustand. (Der eigentlich Gemeindewald von etwa 55 ha zieht sich zu beiden Seiten der Elz hin, von der Röser bis zur Keldunger Gemarkung. Durch ihn führt in seinem ersten Drittel der Eifelvereinspfad Pyrmont – Burg Eltz).

Jedes Jahr wurde ein „Schlag“ abgeholzt. Die anfallenden „Schanzen“ und „Latzen“ wurden gleichmäßig unter die „Bürger“ verteilt, die ihrerseits nur den Hauerlohn zu bezahlen hatten. Die Eichen blieben beim ersten Einschlag stehen, kamen erst später, etwa im Mai an die Reihe und wurden dann geschält. Die Lohe ging an die Gerbereien, bis sich mit dem Fortschritt der chemischen Industrie das Loheschälenschließlichnichtmehr lohnte. Die Verlosung des Holzes erfolgte immer an Ort und Stelle. Danach begann die Abfuhr. Sie war stets mit Schwierigkeiten verbunden, besonders wenn der Mai kühl und nass war und stellte immer hohe Anforderung an Mann, Ross und Wagen. In dieser Zeit hallte die sonst so friedliche Gegend wider das Geschrei der Fahrleute. Als letztes Stück der Heimfahrt galt es den Elzweg zu überwinden, eine Wegstrecke, die der Heck an Urwüchsigkeit in nichts nachstand.

Ein Vorrecht der „Bürger“ war auch das Birkenschneiden. Im Spätherbst, meist wenn es regnete oder schneite, konnte jeder Bürger an dazu bestimmten Tagen seinen Bedarf an Besenreisig decken, sofern die Nachbargemeinden noch etwas übrig gelassen hatten. In den 30er Jahren schließlich wurde der alte Rechtszustand aufgehoben und der Besitz als Eigentum der Gemeinde eingetragen.

Die „Pilliger Heck“ wurde besiedelt-2

Abgesehen vom Nadelholz waren in der Heck fast alle einheimische Holzarten vertreten. Vorherrschend war die Haselnuss. Es folgten Weissbuche, Eiche und Birke und an wasserreichen Stellen Erle, Salweide und Zitterpappel. Dank ihrer Größe bildete die Heck auch einen Eigenjagdbezirk der Gemeinde. Infolge ihrer Beschaffenheit und Lage mit Anschluss an den Elzerwald, den Wald der Gemeinde Brohl und die bewaldeten Elzberge war das Gebiet ein idealer Tummelplatz für Sauen, die sich in dem dichten Gestrüpp wunderbar geborgen fühlten, während die Eicheln der Samenbäume ihre Ernährungsgrundlage bildeten.

Bei der ersten Treibjagd nach dem Kriege waren 35 Sauen in den einzelnen Treiben. Beim Anblick der urigen Tiere jedoch waren die Schützen dermaßen verdattert, dass sie lediglich einen Schwarzkittel auf die Schwarte legten. Für den Naturfreund war dieses Stückchen „Urwald“ ein Idyll. Ein Spaziergang im Mai oder Juni auf den fast zugewachsenen, bemoosten Waldwegen, wo sich die Sträucher zu Baldachinen wölbten, bedeutete ein Erlebnis: nirgends ein Verbotsschild – Waldeinsamkeit!

Als nun im Jahre 1952 der Plan, die Pilligerheck in eine Siedlung zu verwandeln, akut wurde, sträubte sich der Gemeinderat begreiflicherweise. Die Argumente der Siedlungsgesellschaft indes waren so überzeugend, dass es so kam, wie es vorauszusehen war: Die Rodung wurde Tatsache. Die Bodenproben waren zufriedenstellend. Das Gebiet liegt unter der 300 m Grenze. Schon frühere Bodenuntersuchungen hatten ergeben, dass die Gemeinde Pillig, neben Nickenich über den besten Waldboden im Kreise Mayen verfügte.

Nach Durchführung der erforderliche Arbeiten konnten im Herbst 1953 30 ha mit Roggen bestellt werden. Im Frühjahr erfolgte die Hafersaat, und gleichzeitig wurde mit dem Bau der Gehöfte begonnen. Der Andrang von Siedlungswilligen war so groß, dass selbst eine vielfache Fläche nicht genügt hätte um alle Wünsche zu erfüllen. 1955 wurden die Felder und Gehöfte den jungen Siedlern übergeben.

Die „Pilliger Heck“ wurde besiedelt-3
Die „Pilliger Heck“ wurde besiedelt-4

Von Krasna auf's Maifeld

Lang war der Weg aus Bessarabien und lang ist die Geschichte der Menschen, die kurz nach 1950 auch in Keldung und in der Pilligerheck eine neue Heimat fanden.

1809 waren ihre Vorfahren aus dem Rheinland, aus der Pfalz und aus den angrenzenden Regionen dem Ruf des preußischen Königs zur Besiedlung polnischer, jetzt preußisch gewordener Gebiete gefolgt. Nur vier Jahre später, man war noch nicht richtig in der Gegend um Warschau angekommen, folgten sie dem Ruf des Russischen Zaren zur Besiedlung der Gegend zwischen Schwarzem Meer, Dnjester und Pruth, wo sie dann für gut ein und ein Viertel Jahrhundert eine neue Heimat fanden. Bessarabien, benannt nach einem moldavischen Fürstengeschlecht wurde das Siedlungsgebiet genannt.

Im Sommer 1940, als Rumänien das Bessarabien“(wieder) an die Sowjetunion abtreten musste (1918 war das Gebiet an Rumänien gekommen), begann die von Stalin und Hitler vereinbarte Umsiedlungsaktion mit der Fahrt die Donau aufwärts und mit Zügen in verschiedene Auffanglagerin Deutschland. Anschließend wurden viele Umsiedler auf Bauernhöfe im von deutschen Truppen besetzten Polen angesiedelt.

Mit dem Vorrücken der Roten Armee 1944 mussten sie aber wieder die gerade vertraut gewordene neue Heimat verlassen,- diesmal fluchtartig. Nach einer Zwischenstation in Norddeutschland, wurde vielen ein neues Zuhause auch im Kreis Mayen angeboten. Für einige von ihnen auch in der dafür gerodeten Pilliger Heck.