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Karnevalstraditionen

Karnevalstraditionen

10.02.23
Karnevalstraditionen

SC-Photo-stock.adobe.com

Ob man nun ein Jeck ist oder nicht, wer in Rheinland-Pfalz lebt, der weiß, wie Karneval funktioniert. Er weiß, dass es ein Prinzenpaar gibt, dass man sich verkleidet und dass es große Umzüge mit Fußgruppen und bunten Wagen gibt, bei denen fleißig ,,Kamelle", also Süßes in die Menge geworfen wird. Aber selbst der eine oder andere echte Jeck kennt sich nicht aus mit den Hintergründen des Karnevals und seinen vielen Facetten und Traditionen. Karneval ist überall ein wenig anders, das kann sich von Dorf zu Dorf unterscheiden, nicht zuletzt durch den Narrenruf.

Schon die alten Germanen verkleideten sich mit Masken aus Holz und in Kostümen aus Tierfellen, um so mit Musik und Tanz die Geister des Frühlings zu wecken. Später wurde dieser Brauch vom Christentum übernommen, ,,Camevale", wörtlich ,,Fleisch, leb wohl!", wurde so zu einer Zeit des Feierns, bevor danach die sechswöchige Fastenzeit anbrach. Im 19. Jahrhundert wurde aus dem fröhlichen Fest auch eine Möglichkeit der Gesellschaftskritik und der politischen Satire, so wie wir es heute aus den Hochburgen des Karnevals kennen. Man traf sich, um frei über die Politik Napoleons zu lachen, und überhaupt über die Obrigkeiten, kein Wunder also, dass die Leute ihre eigenen ,,Prinzenpaare" in der Zeit wählten und sie in übertriebene, lächerliche Kostüme steckte. Und mehr noch: Auch die Kirche blieb nicht mehr verschont, die Narrenzahl 11 eine scherzhafte Art, sich über die 10 Gebote hinwegzusetzen".

In Köln wird die närrische Zeit am 11.11. eingeläutet, mit Konzerten und Programm auf dem Alten Markt und einer Rede des Kölner Dreigestirns. Statt einem Prinzenpaar wird der Kölner Kameval nämlich von einem Prinzen, einem Bauern und seiner Jungfrau (traditionell ebenfalls von einem Mann verkörpert) regiert. In Düsseldorf wird die Saison vom Erzschelm Hoppeditz eingeleitet, der aus seinem Senftopf aussteigt, um den Bürgermeister in seiner Eröffnungsrede zum Wortgefecht herauszufordern. In Mainz wird am 11.11. zunächst das närrische Grundgesetz verkündet (,,Die Würde eines jeden Narren ist unantastbar."), bevor man zum traditionellen Narrhalla-Marsch in den Karneval marschiert.

So unterschiedlich die Auftakte in den verschiedenen Hochburgen, so einig ist man sich über die Zeit danach. Es folgen Wochen voller Sitzungen, Bälle und Umzüge, die von Karnevalsgesellschaften und Heimatvereinen veranstaltet werden. Stets dabei: Die Karnevalsmusik. Die närrische Zeit hat nämlich auch ihr eigenes Genre an Musik produziert, eine Mischung aus Schlager und Rock Bands wie De Höhner oder Bläck Fööss sind wohl die bekanntesten Interpreten auf der Karnevals-Hitliste, die Lieder stets fröhlich, zum Mitgröhlen und Mitschunkeln, die Texte einfach zu merken, geht es doch meist um den Karneval selbst oder ums das Trinken und Feiern. Wie erfolgreich dieses Genre ist, merkt man daran, dass jeder, wohl auch im Schlaf, ,,Viva Colonia" oder ,,Die Karawane zieht weiter" mitsingen könnte, selbst wenn er selbsternannter Karnevalsverweigerer ist.

Eine Tradition, die sich auch in vielen Regionen wiederfindet, ist die Weiberfastnacht. Am letzten Donnerstag vor dem Rosenmontag haben die Frauen das Sagen, in vielen Orten stürmen sie das Rathaus und wer an diesem Tag eine Krawatte trägt, darf sich nicht wundern, wenn sie kurzerhand abgeschnitten wird. In manchen Regionen muss man außerdem damit rechnen, auf der Straße von Möhnen, so nennen sich die Närrinnen, angehalten und um eine Spende erleichtert zu werden. Nachmittags, nach getaner Arbeit, treffen sich die Frauen zur eigenen Karnevalssitzung, zu der Männer keinen Zutritt haben. Auch wenn diese strikte Geschlechtertrennung heutzutage seltsam anmutet, so war sie im Spätmittelalter ein Zeichen dafür, dass an Karneval alles verkehrt herum" läuft, wenn beispielsweise das sonst männlich geführte Rathaus plötzlich von Frauen besetzt wurde.

An Rosenmontag folgen dann die großen Umzüge in den Karnevalshochburgen. In Köln kommen mehr als eine Millionen Zuschauer, um sich den Rosenmontagszug anzusehen und dabei nicht nur Süßigkeiten, sondern auch einen der beliebten „Strüßje", einen kleinen Blumenstrauß, abzustauben. Ansonsten bestechen die Umzüge in Köln und Düsseldorf nicht nur mit bunten Kostümen, sondern auch mit satirischen Festwagen, die mit riesigen Pappmaschee-Figuren aktuelle Ereignisse und politische Figuren aus aller Welt kritisieren. In Mainz dürfen beim großen Umzug außerdem die Meenzer Schwellköpp" nicht fehlen, übergroße Pappmaschee-Köpfe, die Karikaturen von Mainzer Persönlichkeiten darstellen.

Aber auch die fröhlichste Jeckenzeit geht am Aschermittwoch zu Ende. In Düsseldorf wird der Hoppeditz symbolisch verbrannt, in Köln eine mannsgroße Strohpuppe, Nubbel genannt. Mit diesem Sündenbock sollen alle Sünden, die man während der Karnevalszeit begangen hat, vergeben werden, damit man mit einer reinen Weste in die Fastenzeit starten kann. In manchen Regionen trifft man sich zudem am Aschermittwoch zum Mittagessen mit Heringen und Kartoffeln, nachdem man am Abend zuvor feierlich den Karneval begraben hat.