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Epilepsie - Kurzschluss im Gehirn

Epilepsie - Kurzschluss im Gehirn

18.12.21
Epilepsie - Kurzschluss im Gehirn

Foto: peterschreiber.media - stock.adobe.com

Die Geschichte der Epilepsie ist so alt wie die Menschheit, denn das Anfallsleiden, ausgelöst durch plötzlich auftretende, synchrone elektrische Entladungen von Nervenzellen im Gehirn, gehört zu den am häufigsten auftretenden chronischen Erkrankungen. In der frühen Geschichte galten an Epilepsie erkrankte Menschen als von den Göttern besonders begünstigt. Im Mittelalter sah das vollkommen anders aus. Die häufig sehr spektakulär aussehenden Anfälle wurden in Zeiten, als man den Teufel hinter nahezu jedem unerklärlichen Phänomen vermutete, als Zeichen für einen Bund mit dem Bösen interpretiert und endete nicht selten mit dem Besuch des Exorzisten.  

Erst im 17. und 18. Jahrhundert erkannte man die Epilepsie als das an, was sie ist, eine Erkrankung und in der Geschichte der Erforschung ist sicherlich Simon-Auguste Tissot besonders zu erwähnen,. der epileptische Anfälle in idiopathische (von selbst entstehende) und symptomatische (aus einer Erkrankung folgend) klassifizierte und damit einen entscheidenden Schritt im Umgang mit der Erkrankung einleitete.

Inzwischen ist Epilepsie eine sehr gründlich untersuchte Erkrankung, ihre Ursachen sind hingegen nach wie vor nicht komplett ergründet. Erwiesen ist, dass das Neuauftreten von Epilepsie abhängig vom Alter ist. Kinder erkranken mit 60 von 100.000 Kindern häufiger als junge Erwachsene, im Alter steigt die Häufigkeit wieder deutlich an. Um das zu verstehen, ist ein Blick auf die Ursachen der Erkrankung hilfreich.
  

Nach wie vor unterscheidet man nach Tissot zwischen symptomatischen und idiopathischen Epilepsien. Grund für symptomatische Fälle können bei der Geburt erlittene Hirnschädigungen ebenso sein wie Fehlbildungen des Hirngewebes, aber auch Tumoren und Traumata des Gehirns sind als Ursache für Epilepsien bekannt. Besonders gefährlich sind Infektionen des Gehirns (Enzephalitiden), die durch Erreger wie Herpesviren, Meningokokken, Masern, Hepatitis C, FSME-Viren, Kyme-Borreliose oder Autoimmunerkrankungen des Gehirns ausgelöst werden können. Einige Stoffwechselerkrankungen wie zum Beispiel eine Regulationsstörung der Hormonbildung in der Nebenschilddrüse, die zu einem Anstieg der Calciumkonzentration im Blut führen kann, oder Hämochromatose, bei der es zu einer erhöhten Eisenaufnahme im Körper kommt.

Gelegentliche Anfälle können durch massiven Schlafentzug, Unterzuckerung, Licht mit Stroboskopeffekt oder auch die Einnahme von Rauschdrogen wie Alkohol, MDMA, Kokain, Amphetamin oder Ketamin ausgelöst werden.

Egal welche Ursache ein epileptischer Anfall hat, sein grundsätzlicher Ablauf ist identisch: Es liegt ein Ungleichgewicht zwischen Erregung und Hemmung der elektrischen Aktivtiät sowie eine Übererregbarkeit von Nervenzellen vor. So kommt es zu der bereits beschriebenen, synchronen Entladung von elektrischer Ladung in Nervenzellen, die ganz unterschiedliche Folgen haben kann. Bei fokalen Anfällen, deren Herd deutlich auszumachen ist, kann das Bewusstsein erhalten bleiben, oder bei komplexen Anfällen mit einer Störung desselben einhergehen. Als generalisierte Anfälle bezeichnet man epileptische Ereignisse, deren anatomischer Ursprung nicht klar zu erkennen ist. Sie können sich mit Muskelzucken in einfachen Fällen bis hin zu großen Anfällen mit Bewusstseinsverlust und Verkrampfungen und Zuckungen äußern.

Die große Gruppe der idiopathischen (von selbst entstehenden) Epilepsienspielt die genetische Disposition eine erhebliche Rolle. In den meisten Fällen treten diese Formen der Epilepsie bereits im Säuglings-, Kindes- und Jugendalter auf.

Wie diagnostiziert man eine Epilepsie?

Zunächst ist die Umgebung der erkrankten Person eine wichtige Informationsquelle, denn der oder die Betroffene hat in der Regel keine Erinnerung an den Vorfall. Ein Elektroenzephalogramm „EEG“, auch Hirnstrommessung durchgeführt. Auch bildgebende Verfahren wie Röntgen und Magnetresonanz kommen zum Einsatz. Die Patienten erhalten sogenannte Antikonvulsiva und es wird untersucht, ob die Gründe für das Auftreten von Anfällen beseitigt werden können. Für Menschen, die eine Epilepsie entwickeln, ändert sich vieles im Alltag. In vielen Fällen kann durch verschiedene Therapien eine Anfallsfreiheit erreicht werden, nichts desto trotz bleibt diese Erkrankung ein Leben lang bestehen und schränkt die Betroffenen ein. So ist bei entsprechender Anfallshäufigkeit das Führen eines Fahrzeuges ebenso untersagt wie das Arbeiten an bestimmten Maschinen nicht erlaubt. Therapeutisch können neben Medikamenten in schweren Fällen auch mittels Operation ein elektrischer Stimulator zum Einsatz kommen, der im Fall eines drohenden Anfalls eine Art „Gegenfeuer“ legt und so dazu beitragen kann, die Anzahl der Anfälle zu verringern. Bei der Transkutanen Vagusnervenstimulation wird dieser Gegenreiz sogar ohne Operation an einer bestimmten Stelle der Ohrmuschel durchgeführt.

Insbesondere das selbstständig geführte Leben ist für Patienten von großer Bedeutung. Hierbei können spezielle Epilepsiehunde, die in der Lage sind, bereits vor Auftreten des Anfalls zu spüren, dass etwas passiert und dafür sorgen, dass sich die Patienten in eine sichere Position begeben, sehr hilfreich sein. Grundsätzlich haben Menschen mit Epilepsien ein erhöhtes Risiko, vorzeitig zu sterben, weil sie Gefahr laufen, bei einem Anfall körperlichen Schaden zu nehmen. Auch der gefürchtete Status epilepticus, eine schnelle, nicht zu unterbrechende Abfolge von Anfällen, kann zum Tod führen. Menschen, die an Epilepsie leiden, haben die Möglichkeit, einen Antrag auf einen Schwerbehindertenausweis zu stellen. Dieser wird in der Regel mit einem Grad zwischen 30 und 100 Prozent gewährt. J.S.