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Arbeitsmarkt – quo vadis?

Gespräch mit Alexander Embach, Operativer Geschäftsführer der Agentur für Arbeit in Bad Kreuznach

23.12.21
Arbeitsmarkt – quo vadis?

Alexander Embach Foto: Joschka Link

Bedingt durch die Corona-Pandemie und ihre Maßnahmen haben im vergangenen Jahr mehr als eine Millionen Beschäftigte ihren Job verloren. Viele Unternehmen mussten schließen, auch wenn die Regierung Milliarden für das Kurzarbeitergeld zur Verfügung gestellt hat.

Vor allem die Bereiche Gastronomie und Hotellerie hatten mit schweren Verlusten zu kämpfen. In der Unterhaltungs- und Kunstbranche waren die Jobverluste verheerend. Aber auch andere Unternehmen verloren Mitarbeiter, weil diese vom gezahlten Kurzarbeitergeld nicht leben konnten und sich nach einer neuen Stelle umsahen. Wieder andere Betriebe erfüllten die Voraussetzungen für Kurzarbeitergeld nicht und mussten schließen. Anfang des Jahres erholte sich die Lage wieder etwas.

Doch wie wird sich der Arbeitsmarkt zukünftig entwickeln? Wir sprachen hierzu mit dem neuen Geschäftsführer der Agentur für Arbeit , Alexander Embach.

Wird sich unser Arbeitsmarkt zukünftig dahingehend verändern, dass Homeoffice (wo möglich) normal und Abstand (bei Kontaktberufen) zur Pflicht wird?

Bereits vor der Pandemie war in vielen Firmen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ein Thema, das heißt, den Trend zu Homeoffice gab es schon vorher. Dieser Trend verlief langsam und machte nun wieder einen Sprung, ausgelöst durch die Pandemie. Vorbehalte gegenüber Homeoffice und Hindernisse für das Arbeiten von zu Hause wurden schnell abgebaut. Laut einer Befragung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) gaben 2020 knapp 39 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland an, von zu Hause aus arbeiten zu können und sie haben davon auch ganz oder teilweise Gebrauch gemacht. Die anderen gut 60 Prozent gaben größtenteils an, dass sich ihre Tätigkeit dafür nicht eigne. Dieser Anteil hat sich danach nicht mehr gravierend geändert. Die Flexibilisierung des Arbeitsorts wird nach der Pandemie sicher weiter eine große Rolle spielen, zumindest wenn es nach den Beschäftigten geht. Nur wenige wünschen sich eine komplette Rückkehr zum Präsenzbetrieb. Wenn es also darum geht, Fachkräfte zu gewinnen, wird dies ein Argument sein, an dem Unternehmen nicht vorbeikommen.

Es wird aber natürlich immer Tätigkeiten geben, die nicht im Homeoffice möglich sind, zum Beispiel in Gesundheits- und Pflegeberufen oder im Einzelhandel. Ich habe den Eindruck, dass dort die Regelungen zum Arbeitsschutz akzeptiert und gut etabliert sind. Ob und wie lange Abstand, Maske und Plexiglas zum Alltag gehören werden, kann ich nicht sagen. Das hängt sicher in erster Linie von der Pandemieentwicklung und den daraus folgenden Auswirkungen auf die Gesellschaft ab.

Trotz mangelndem Nachwuchs und Entlassungen während der letzten Monate sinkt die Arbeitslosigkeit in der Region weiter. Wie ist das zu erklären?

Der Arbeitsmarkt in unserer Region ist trotz aller Unwägbarkeiten tatsächlich erstaunlich robust.

Auch während der letzten zwei Jahre ist die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten trotz Pandemie konstant bei 119 000 geblieben. Hier hat uns Kurzarbeit vor größeren Auswirkungen bewahrt. Wir sind mittlerweile bei der Arbeitslosigkeit wieder auf dem Vorkrisenniveau angekommen. Auch die Nachfrage nach Arbeitskräften ist heute so groß wie seit vielen Jahren nicht mehr. Wir haben deutlich mehr offene Arbeitsstellen in unserem Bestand als vor der Pandemie. Die Chancen auf dem Ausbildungsmarkt sind für Ausbildungssuchende ebenfalls sehr gut. Wir stellen im Moment fest, dass alle von dieser Entwicklung profitieren, insbesondere viele junge Menschen. Gleichzeitig scheiden zunehmend Ältere aus dem Erwerbsleben aus. Das trifft auf unsere Region mit einem höheren Altersdurchschnitt in der Bevölkerung besonders zu. Daher wird der Bedarf an Fachkräften weiter ansteigen.

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Foto: Kurhan - stock.adobe.com

2G gilt nun auch bei der Arbeitsagentur. Was bedeutet das für ungeimpfte Arbeitslose. Fallen die nun bei der Vermittlung „hinten runter“?

Wir sind weiter für alle unsere Kundinnen und Kunden da. Unsere Häuser bleiben weiter geöffnet. Das ist eine andere Situation als vor einem Jahr, als wir den Publikumsverkehr vollständig einstellen mussten. Die einzige Einschränkung für alle, die weder genesen noch geimpft sind, ist aktuell das persönliche Beratungsgespräch in unseren Büroräumen, das wir zum Schutz unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber auch zum Schutz unserer Kundinnen und Kunden, die nach wie vor zu uns ins Haus kommen, zurzeit nicht anbieten. Das persönliche Gespräch ist uns auf der einen Seite sehr wichtig, weil es Vertrauen schafft, gerade bei Menschen in schwierigen Situationen. Auf der anderen Seite haben wir in den letzten fast zwei Jahren die Erfahrung gemacht, dass die Beratung telefonisch gut funktioniert und angenommen wird. Zudem bauen wir unser Angebot an Videoberatung noch weiter aus. Und über unsere Online-Systeme kann man ebenfalls vieles erledigen, beispielsweise den Antrag auf Arbeitslosengeld abgeben. Wenn all das nicht geht, haben wir einen Notfallschalter, an dem alle Anliegen persönlich geklärt werden können.

Es ist die Zeit vor Weihnachten. Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, eine berufliche Maßnahme oder ein Projekt durchzuführen, völlig ohne persönliche Konsequenzen. Was würden Sie gerne machen?

Natürlich wünsche ich uns vor allem, dass wir gesund bleiben und gut durch diese Situation kommen. Im Moment gibt es nichts Wichtigeres. Mit Blick auf die Zukunft würde ich mir ansonsten wünschen, dass wir die Beschäftigten in der Region beim Thema Weiterbildung noch intensiver unterstützen können. Weiterbildungsförderung für alle, die von Digitalisierung und technischen Veränderungen betroffen sind, das wäre mein Herzensprojekt. Ich glaube, hier müssen wir uns zusammen mit unseren Partnern am Arbeitsmarkt noch mehr anstrengen, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.